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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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anfangs nicht begreifen, was da geschehen war. A-Ting, weißt du noch, dass Vater fast weinte, als er es uns zu erklären versuchte? Ich hatte ihn noch niemals so erlebt. Er wollte aber, dass ich verstand. Wahrscheinlich ahnte er schon damals, was geschehen würde.     «Warum nur ist der junge Herr nicht geflüchtet, als es noch Zeit war? Warum ist Herr Song Gan nicht ebenfalls nach Japan gegangen wie Herr Kang Youwei und sein Schüler Liang Qichao? Dann könnte er noch leben!»
    «Ein Song läuft nicht davon, A-Ting. Herr Kang, Herr Tan, die ganze Gruppe hatte doch beste Beziehungen in höchste Kreise. Das hat Gege immer betont, wenn Vater sich Sorgen machte. Außerdem hoffte er vielleicht auf die Hilfe von Generalgouverneur Zhang Zhidong. Dieser soll ja auch Herrn Liang Qichao unterstützt haben.»
    «Und ich dachte immer, Zhang gehört zu den ganz Altmodischen.»
    «Ja und nein. Vater hat gesagt, Zhang wolle das Reich sehr wohl modernisieren. Aber nur mit westlicher Technik. An die alten Werte des Meisters Kong Fuzi dürfe nicht gerührt werden. , das waren Vaters Worte. Zuerst hat Zhang die neuen Ideen begrüßt. Aber nach dem Staatsstreich schlug er dem Hof vor, die Reformer hinzurichten. Dabei kannte er viele von ihnen persönlich! Vater glaubte, der glühende Patriot Zhang sei außer sich gewesen, als er erfuhr, dass Herr Liang und die anderen mit den Japanern zusammenarbeiten wollten.»
    «Song Laoye hat das geahnt! Er hat den jungen Herren immer wieder vor den Japanern gewarnt. Diese krummbeinigen hinterhältigen Barbaren!»
    «A-Ting! Gege versprach sich doch so viel davon, unser Reich nach dem Vorbild der Meiji-Reform umzugestalten. Wie stark Japan seitdem geworden ist, hat sich doch in dem Krieg vor acht Jahren gezeigt. In weniger als einem Jahr hatte uns das kleine Land besiegt. Und inzwischen haben sie sich Korea angeeignet und setzen sich im Nordosten des Reiches fest. Die Reformer dachten, japanische Militärberater könnten helfen, damit China ebenso stark wird. Japan will nichts für sich selbst, nur eine lang währende Feindschaft in eine Freundschaft umwandeln. Sie haben versprochen, die Mandschu-Adeligen nicht unnötig zu beunruhigen.»
    «Ich wiederhole es, die Japaner sind krummbeinige, stinkende, hinterhältige Barbaren. Ha, als wollten sie wirklich, dass unsere Armeen stark werden und unsere jungen Leute an modernen Schulen und Universitäten nach japanischem Muster lernen können. Das haben sie nur gesagt, diese…»
    Mulan unterbrach sie. «Vater hatte mit Gege einen richtigen Streit darüber, als dieser einmal in den Ferien zu Hause war.
    «Sag ich doch», brummte die Amah düster.
    «Und nun sind sie alle tot. Vater, Mutter, Gege ist nur achtzehn Jahre alt geworden.» Mulan schluchzte auf. «Ich hatte solche Angst, die Banditen würden die Ahnentafeln schänden! Das wäre gewesen, als würden sie noch einmal sterben.»
    Die alte Amah nahm sie in die Arme. «Song Taitai war eine tapfere Frau, und du bist wie deine Mutter. Sie hat gewusst, du würdest tun, was zu tun war.»
    «Sie war so schön an diesem letzten Tag, so gefasst, so freundlich. Selbst noch, als endgültig klar geworden war, dass es für Gege keine Rettung gab. Vater hatte alles versucht, ein Vermögen ausgegeben, um dem einzigen Sohn, der Hoffnung der Familie, dieses Schicksal zu ersparen. Doch es half nichts. Mutter muss gewusst haben, dass bald die Schergen kommen würden, um das Eigentum der Familie zu konfiszieren. Auch wenn sie es nicht sagte. Die Ereignisse hatten ihr das Herz gebrochen.
    Dennoch tröstete sie mich, als ich sie anflehte, es nicht zu tun. Doch sie blieb unbeirrbar.