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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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aus dieser Welt fortgehen>, hat sie gesagt. Dann gab sie mir den Beutel mit ihrem Schmuck, den Perlen, den Korallen und den Jadeohrringen, den du später in die wattierte Jacke eingenäht hast. Dazu einige Münzen und ein längliches Kästchen, eingeschlagen in blauem Kattun. Da flehte ich sie an, mich mit ihnen gehen zu lassen. Doch sie blieb unnachgiebig. .» Mulan konnte nicht mehr weitersprechen. Zu schmerzhaft war die Erinnerung daran, wie sie sich schließlich wortlos verneigt und für immer von diesen beiden geliebten Menschen Abschied genommen hatte.
    «Ich habe Song Taitai geschworen, dich vor Schaden zu bewahren. Und diesen Schwur halte ich», flüsterte Yu Ting.
    Sie sprachen nicht über den Tag, an dem sie das schöne Haus des Herrn Song in Jinan für immer verlassen hatten. Der Besitz war konfisziert, die Schergen hatten die jammernden Konkubinen des Vaters fortgeschleppt, um sie zu verkaufen. Angeblich, um die Gefängniskosten zu decken. Die Familie Song war geächtet, ihr Andenken getilgt bis hinauf zu den frühesten Ahnen. Ihre Verlobung war gelöst. Die vornehme Familie wollte nichts mit der Schwester eines Verbrechers zu tun haben.
    Sie hatten die Eltern in aller Stille begraben. Und dann waren sie aufgebrochen, um den Körper des toten Bruders heimzuholen. Eine alte Frau und ein dreizehnjähriges Mädchen. Mulan hatte gewusst, sie musste das Entsetzliche auf sich nehmen.
    Da waren sie wieder, die Bilder dieser schrecklichen Stunden. Bilder, die sich nicht vertreiben ließen. Sie kehrten zurück wie Dämonen, immer wieder, jede Nacht. Anfangs hatte sie gefürchtet, den Verstand zu verlieren. Mulan barg den Kopf an der Brust der Amah, wie damals, als sie ein kleines Mädchen gewesen war. «Hättest du mir nicht geholfen, A-Ting, hättest du mich nicht auf deinen Schultern getragen, als wir durch die dunklen Gassen zum Richtplatz irrten und meine gebundenen Füße mir nicht mehr gehorchen wollten, ich glaube, ich hätte nicht tun können, was ich tun musste.
    Aija, als sie Gege zum Scharfrichter schleppten, hoffte ich, mein Herz würde aufhören zu schlagen und ich könnte mit ihm sterben. Doch der Himmel hörte mein Flehen nicht. Er konnte kaum laufen, sein Gesicht war von Schlägen geschwollen, sein nackter Oberkörper voller Striemen und blutender Wunden. Die Büttel zerrten an ihm und seinen Gefährten. Sie hatten kein Mitleid. Niemand hatte Mitleid.» Sie hob den Kopf.
    Der alten Amah liefen die Tränen über die Wangen. «Aber wir waren bei dem jungen Herrn in seinen letzten Minuten.»
    «Ich werde nie vergessen, wie der Büttel die Namen der Todeskandidaten verlesen hat, wie die Worte über den Platz hallten. Song Gan! Komplize des Verbrechers Tan Sitong! Ich habe nicht weggesehen, A-Ting.»
    «Ich weiß, mein Herz, ich weiß. Er hat bestimmt gespürt, dass seine Meimei bei ihm war.»
    «Die Gaffer haben ihn auch noch verspottet, manche lachten sogar, als sein Kopf fiel!»
    «Sie kannten den jungen Herrn nicht wie wir. Sie konnten doch nicht wissen, was für ein hervorragender Mensch er war. Der Tod eines Anderen ist für sie nichts als eine Ablenkung von ihren eigenen Sorgen.»
    «Hast du gehört, was der eine sagte:     Sie hatten sich am Pfeiler eines Hoftores zusammengekauert, wie Bettlerinnen, Stunde um Stunde gewartet, bis die Dämmerung kam. Bis die Sonne wieder untergegangen war über einer Welt, in der es für Mulan und ihre Kinderfrau A-Ting keine Heimat mehr gab. Sie hatten zugesehen, wie sie Geges Kopf und die der anderen Studenten auf einen Pfahl steckten und ihn aufpflanzten. Ganz in ihrer Nähe. Die seelenlosen Augen hatten sie angestarrt, ihr von seiner Qual, seinen Hoffnungen

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