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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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seinem Schnurrbart. «Ganz brauchbar», erklärte er.
    Truppel grinste. «Mehr an Lob habe ich von unserem Fritz Fauth noch nie gehört, Soldat. Sie können sich von nun an schreiben.» Konrad war sich auch in diesem Punkt keineswegs sicher.
    Am nächsten Morgen um sieben Uhr nahmen sie den Zug nach Kaumi. Draußen war die Luft erfüllt vom Duft des blühenden Blauregens. Am Morgen war er besonders stark. In dem Eisenbahnwagen der beiden Deutschen war relativ viel Platz. Unter den Chinesen in der dritten Klasse herrschte hingegen ein Tohuwabohu. Sing- und andere Vögel in Käfigen und sogar ein Schwein tummelten sich zwischen Töpfen und Tiegeln, dazwischen meckerte eine Ziege, Bauersfrauen schimpften mit ihren Sprösslingen. Die neue Eisenbahn der Deutschen war zunächst zögernd angenommen worden, erfreute sich aber inzwischen zunehmender Beliebtheit. Wer von den Einheimischen sich einen Fahrschein leisten konnte, sah dann auch nicht ein, dass nicht alles mit transportiert werden sollte, was nicht niet- und nagelfest war.
    Ein altes Mütterchen mit einem verdeckten Korb, in dem ein Huhn gackerte, verirrte sich in den Waggon der beiden Soldaten. Als sie die Männer sah, verschwand sie sofort wieder.
    Fauth vernebelte die Luft kräftig mit seiner Pfeife. Draußen fabrizierte der Fahrtwind über dem Schornstein der Lokomotive sein eigenes schwarzes Band aus Rauch. Wenn er nicht gerade an seiner Bruyère zog, ließ Fauth sich dazu herab, Konrad das eine oder andere über die Gegend zu erklären. Je weiter der Zug in das Innere der Provinz Schantung dampfte und fauchte, desto fruchtbarer wurde der Boden und desto schöner die Landschaft. Sie sahen Obstbäume verstreut auf den Feldern stehen. An den Ästen der Kronen waren Steine befestigt und zogen sie nach unten. «Gutes deutsches Obst aus China, das bringt Geld. Deswegen haben die Bauern die chinesischen Sorten auch mit europäischen gepfropft», erläuterte Fauth. «Die Steine sollen für einen guten Wuchs sorgen.»
    Dann waren da noch relativ junge Büsche, Steineichen, wie Fauth feststellte. «Soweit ich weiß, stecken die Bauern zehn bis fünfzehn Eicheln in ein einziges Saatloch. Ehrlich gesagt, die Deutschen haben mit ihrer Überredungskunst bei dieser Art der Produktion etwas nachgeholfen. Jetzt sind die Einheimischen ganz zufrieden damit, denn sie verdienen gutes Geld. In den Pflanzen züchten sie den Steineichenspinner. Die Raupen können bereits nach ein paar Jahren auf die Büsche gebracht werden. Es ist die Aufgabe der Kinder, sie zu hüten. Die Kokons werden dann eingesammelt und zu Hause weiter behandelt. Manche Orte in Schantung sind durch ihre gute Rohseide, wie die graugelbe «Bast»-Seide des Eichenspinners auch genannt wird, sogar schon berühmt geworden. Jedenfalls plündern sie die Bäume nicht gleich, um Brennbares zu bekommen. Ansonsten hacken sie ja jeden halbwegs erreichbaren Ast ab, sammeln jeden Grashalm auf. Schauen Sie sich nur diese Kiefern an oder die alten Bäume in den Ortschaften, an denen wir vorbeifahren. Sie sind bis in große Höhen . Die Leute pflegen die Steineichen inzwischen ebenso sorgsam wie die Obstbäume.»
    Wieder einmal war Konrad Gabriel beeindruckt. Manchmal benahm sich Fauth wie ein vernagelter Kommisskopf, doch dann kam wieder der gute Beobachter zum Vorschein, der er ebenfalls war. Dieser Mann interessierte sich für alles. Und manchmal, in ganz seltenen Fällen, überraschte er ihn sogar mit einer fast schüchternen Art von Humor. Konrad bekam langsam den Eindruck, dass Fauth im Grunde seines Wesens unsicher war und sich nur deshalb manchmal aufplusterte. Doch wehe, er erwiderte in den seltenen, eher privaten Momenten, in denen Fauth ein wenig lockerer wurde, etwas außer «aha» oder «interessant», äußerte möglicherweise Anerkennung. Dann holte er sich sofort eine Abfuhr. Dieses Mal entschied er sich für: «Ein bemerkenswertes Volk, diese Chinesen.»
    Sein Gegenüber bedachte ihn mit einem kurzen Blick, erwiderte aber nichts. Der Pfeifenqualm im Waggon verdichtete sich langsam zu Nebelschwaden. Fauth klopfte mit dem Kopf der Pfeife auf die Holzbank. Die schwarzen Krümel des abgebrannten Tabaks rieselten auf den Boden. Dann stopfte er seine Bruyère neu. Die beiden Männer schwiegen. Fauth öffnete das Zugfenster und sah dann dem Pfeifendampf nach, der aus dem Waggon quoll. Konrad atmete durch und genoss die Landschaft, die am Zug vorbeiflog, die kleinen Tempel, die er immer wieder

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