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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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einen chinesischen Garten. Dort empfängt er seine vornehmen chinesischen Besucher sowie seine gelehrten Freunde. Wilhelm hat sogar einen Tennisplatz bei seinem Haus.
    Sein Nachbar von der Berliner Mission heißt Voskamp. Die Wilhelms mokieren sich immer über den Missionseifer und die Sittenstrenge des Superintendenten. Aber ich sollte nicht über Voskamp lästern, seine Frau ist erst letztes Jahr gestorben.
    Die Deutschen leben gut hier, auch die, die in Deutschland eher zur Arbeiterklasse gehören würden wie wir. Manchmal wünsche ich mir, Du hättest es in Deinem Leben auch so gut gehabt. Frau Wilhelm kann über fünf Dienstboten gebieten, Koch, Kochgehilfe, Gärtner, Waschmann und eine Amah, eine Kinderfrau. Bald soll eine deutsche Gouvernante kommen.
    Richard Wilhelm ist jedenfalls kein Kind von Traurigkeit, allerdings heißt es, er sei seinen Mitarbeitern gegenüber sehr autoritär und streng. Nun, das kann ich nicht beurteilen. Er hat den Verein für Kunst und Wissenschaft in Tsingtau gegründet, er organisiert Kunstausstellungen, hält Vorträge vor der Kolonialgesellschaft, übersetzt Texte, schreibt Artikel für die deutschsprachige Presse über chinesisches Brauchtum oder die Pekinger Tagespolitik – etwa für die «Tsingtauer Neueste Nachrichten» oder für den anspruchsvolleren, in Schanghai erscheinenden «<üstasiatischen Lloyd». Ja, ich weiß schon, mit all dem kannst Du wenig anfangen, liebe Schwester. Du hältst es eher mit praktischen Dingen. Und wenn ich an Deine Spreewaldgurken denke, bin ich auch sehr froh darüber.
    Mein direkter Vorgesetzter, Friedrich Fauth, sieht meine Chinesisch-Bemühungen nicht so gerne. Ich glaube, er denkt, ein Soldat wie ich habe in der Gesellschaft dieser Herrschaften nichts zu suchen. Fauth ist sehr standesbewusst. Übrigens ist er nicht sehr groß, vielleicht 165 Zentimeter. Doch er geht so aufrecht, als messe er zwei Meter und habe dazu noch einen Stock verschluckt. Haltung, Disziplin, Sauberkeit und Treue zum Kaiser sind für ihn die wichtigsten Dinge. Ich glaube, darin hättet ihr euch gut verstanden, liebe Martha. Er kann einen sogar noch besser herumkommandieren als Du, zwirbelt seinen Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart bei jeder Gelegenheit und pafft ständig auf seiner Pfeife.
    An Fauth ist in Tsingtau einfach kein Vorbeikommen. Er ist für alles zuständig, was mit dem Haushalt des Gouverneurs zusammenhängt. Oskar Truppel gibt Fauth in allem freie Hand, was seiner Gattin nicht immer so recht zu sein scheint. Jedenfalls wird das gemunkelt. Außerdem wird Fauth immer wieder mit besonderen Aufträgen betraut. Mehr darf ich dazu nicht sagen. Er hat jedenfalls viele Bekannte unter der einheimischen Bevölkerung und sogar einen japanischen Freund. Ich weiß, dass Du von solchen Dingen nichts hältst, ich erzähle es trotzdem. Dieser Japaner bietet neben chinesischen Raritäten wie alten Möbeln und Bildern so manches Potenzpülverchen unter seinem Ladentisch an und wird von den chinesischen Würdenträgern und Händlern gerne frequentiert. Diese machen auch gar kein Geheimnis daraus. Ganz im Gegensatz zu unseren deutschen Herrn, die offenbar ebenfalls hin und wieder zu Kräften kommen müssen. Zumindest wird es in den Mannschaftsquartieren so erzählt. Klatsch gibt es hier ebenso wie daheim.
    Hier herrscht nämlich ein reges gesellschaftliches Treiben. Theaterspiele werden aufgeführt, im Herbst und im Frühling gibt es große Pferderennen, es werden Tennis- und Poloturniere veranstaltet und vieles mehr. Ich kenne selbst noch nicht alles. Friedrich Fauth sorgt oft hinter den Kulissen für die Organisation und darüber hinaus natürlich dafür, dass es dem Gouverneur und seiner Familie an nichts fehlt. Das geht hin bis zur Pflege der kleinen, zähen Mongolenponys, die zusammen mit zwei Warmblütern, drei Maultieren, einem Esel und einem Ziegenbock im Marstall Truppels stehen. Die Herren nutzen die Mongolenponys fürs Polospiel. Und so bin ich auch wieder beim Stalldienst gelandet. Anders als in Danzig besorgen das Ausmisten hier jedoch die chinesischen Pferdeboys, die Mafus. Dafür dürfen sie auch zum jeweils letzten Rennen der Saison antreten und jagen dann zum Vergnügen der Zuschauer mit fliegenden Zöpfen wie die mongolischen Horden über die Bahn. Zumindest habe ich das gehört. Die Damen tragen beim Rennbahnbesuch übrigens riesige Hutkreationen mit Federn und allerlei Blumen, über die Du nur den Kopf schütteln würdest. Ich kann Dich schon hören: «Gemüse

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