Die Konkubine
Ermittlungen bereits im Geheimen eingeleitet. Sie werden das Unterste zuoberst kehren. Außerdem kann Kruse nun auch nichts mehr im Maschinenraum des Kanonenbootes schmuggeln. Sie untersuchen wirklich alles. Dieser Friedrich Fauth hat sich in die Nachforschungen eingemischt. Der Gouverneur vertraut ihm. Wenn Fauth etwas herausfindet, sind wir alle geliefert.»
«Hat Ihr Bataillonskommandant etwas mit der Ermordung des Heizers zu tun?»
«Das kann ich mir nicht vorstellen. Derzeit gehen alle davon aus, dass Kruse von einem chinesischen Ehemann ermordet worden ist, dessen Frau er verführen wollte.»
Josef Braun bemerkte das kurze Aufblitzen in den Augen von Liu Guangsan nicht. Dieser war zufrieden. Also schien der Plan aufgegangen zu sein. Der Heizer hatte versucht, sie zu erpressen. Nun konnte er niemanden mehr verraten. Die Deutschen würden den wirklichen Mörder niemals finden. Die Rote Bande hatte ihn aus Shanghai geschickt, der Mann war schon längst wieder fort.
Liu runzelte die Stirn und sah den Deutschen an. So wie sich die Dinge entwickelt hatten, musste er eine andere Quelle für die Waffenlieferungen finden. Er brauchte sie unbedingt, auch er war Verpflichtungen eingegangen. Deutsche Gewehre waren beliebt, die Rote Bande hatte ihm als Bezahlung eine Lieferung Opium versprochen. Auch Yuan pochte auf seinen Anteil. Er brauchte ihn für seine neue Armee, er war dabei, in Hunan und Hubei eine schlagkräftige Truppe aufzubauen. Glücklicherweise lagen noch einige Gewehre samt Munition gut versteckt in der Nähe.
«Nun, ich hoffe, dass Sie recht haben. Aber sorgen Sie dafür, dass bald wieder Waffen geliefert werden. Sagen Sie das ihrem Kommandeur. Wir haben einen Vertrag. Leute, die ihre Verträge brechen, werden schnell von großem Unglück heimgesucht.»
«Wollen Sie uns drohen?»
Liu lächelte. «Nein, wie könnte ich. Das ist nur eine chinesische Redewendung. Es ist besser, Sie gehen jetzt.»
Der Sergeant zögerte eine Weile und marschierte dann grußlos hinaus. Liu wusste genau, was er dachte. Ein Chinese, der sich erdreistete, einem Deutschen zu drohen! Das war unfassbar. Der Mann glaubte sich am längeren Hebel. Sollte er. Die Schiebereien liefen schon eine Weile und brachten gutes Geld. Die Gewehre samt Munition hatten sie aus der Waffenkammer geholt und die Bestände immer wieder aufgefüllt, wenn Kruse eine neue Lieferung Waffen auf seinem Kanonenboot aus der Heimat mitgebracht hatte. Nein, dieser Josef Braun rechnete keinen Moment damit, dass ihnen von chinesischer Seite Gefahr drohen könnte.
Meili erzählte Mulan von dem Gespräch. Als sie geendet hatte, erhob sich diese, machte sich sorgsam zurecht und ging aus dem Zimmer. Liu Guangsan hörte das leise Klopfen an der Tür seines Arbeitszimmers und hob verwundert seinen Kopf. So klopfte nur Mulan. Bisher war sie jedoch noch nie ohne eine Aufforderung zu ihm gekommen. Liu Guangsan ging selbst zur Türe und öffnete sie.
«Komm herein, Magnolienblüte.»
Sie sank zu Boden, um ihm die übliche Ehrbezeigung zu erweisen, doch er zog sie hoch. «Ist etwas Schlimmes geschehen, dass du mich hier aufsuchst?»
Mulan senkte den Kopf, hob ihn dann wieder und blickte ihm direkt in die Augen. Auch das war außergewöhnlich für sie. Bisher hatte sie es kaum gewagt, den Blick zu ihm zu erheben, und das auch nur dann, wenn er sie ausdrücklich darum bat. Er sah Furcht in ihren Augen. Aber da war auch noch etwas anderes, eine Entschlossenheit, die er noch nie an ihr bemerkt hatte. «Ich werde tun, was Ihr von mir erwartet, Liu Guangsan. Chen Meili hat mir alles erklärt.»
Der Maiban zog sie in seine Arme. «Ich danke dir, Mulan. Ich weiß, welche Überwindung das für dich bedeutet. Aber hab keine Angst, mein Kriegermädchen, ich werde dafür sorgen, dass dir und unserem Sohn nichts geschieht. Wenn es nicht so wichtig wäre, würde ich dich dem nicht aussetzen. Es wird immer einer meiner Männer in deiner Nähe sein, um dich zu beschützen.»
Sie nickte nur. «Ich werde tun, was für die Zukunft unseres Vaterlandes nötig ist.»
An diesem Abend kam er zum ersten Mal seit langem wieder zu ihr. Das Geheimnis, das sie nun teilten, erhöhte ihre Vertrautheit noch, brachte sie einander näher als jemals zuvor. Doch Liu Guangsan begriff zugleich, dass es da noch immer jene geheime Stelle in Mulan gab, die sie ihm niemals öffnen würde. Früher hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, diese Form von Nähe auch nicht erwartet. Doch mit Mulan
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