Die Konkubine
gewaltig und schürt die Interessengegensätze im Geheimen noch, anstatt sie auszugleichen. Vom Aufruhr bei den Vermessungs- und Bauarbeiten der Schantung-Eisenbahn haben Sie sicherlich gehört?»
«Jawoll. Die Chinesen haben sich darüber beschwert, dass die Schienen das Fengshui der Landschaft stören und die Eisenbahngesellschaft die Trasse sogar über die Gräber ihrer Ahnen führte. Das Ganze mündete dann in den Boxer-Aufstand.»
«Das ist ziemlich verkürzt, aber ansonsten nicht schlecht, Soldat. Bei diesem ganzen Kuddelmuddel haben außer den Deutschen aber auch noch andere Nationen kräftig mitgemischt, die Italiener, die Franzosen, die Russen, die Japaner und die Engländer natürlich, die durch den Opiumschmuggel reich geworden sind. Es sind aus dieser Zeit jede Menge Minen übriggeblieben. Gouverneur Truppel muss sich sehr vorsichtig bewegen, sonst geht noch eine Ladung hoch.»
«Und dafür braucht er einen Mann wie Friedrich Fauth.»
«Machen Sie sich etwa über mich lustig, Gefreiter?»
«Bewahre, nein. Ich dachte nur, manchmal ist es in einer solchen Situation wichtig, Menschen zu haben, denen man vertrauen kann. Ich meine Menschen, die tun können, was ein Gouverneur eben nicht kann…» Konrad brach ab. Er war sich nicht sicher, ob er sich gerade zu weit vorgewagt, zu vertraulich gesprochen hatte.
Fauth lächelte verkrampft. «Ich wollte, gewisse Leute in Tsingtau würden das genauso sehen! Neider, die mir meine Nähe zu Truppel und meine Bekanntschaft mit Prinz Heinrich nicht gönnen. Vielleicht erzähle ich Ihnen später einmal, wie das zustande gekommen ist. Jedenfalls versuchen sie ständig, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen, schmieden Intrigen, um mich loszuwerden. Wenn Korvettenkapitän Felix Funke, Truppels Stabschef, nicht so ein vernünftiger Mann wäre . Er hat mir schon oft aus der Bredouille geholfen und mich gegen meine Feinde verteidigt. Zum Beispiel gegen diesen Schrameier, den Kommissar für chinesische Angelegenheiten. Dabei gibt es durchaus Menschen, die zu schätzen wissen, was ich leiste. Lord Hearst hat mir sogar den Übertritt in die englische Kolonialarmee angeboten. Und mein Freund Hu Haomin wollte mich für die Armee von Yuan Shikai abwerben. Aber ich diene nur meinem Kaiser und meinem Vaterland. Sonst niemandem.
Ach, was erzähle ich da. Wir haben jetzt anderes zu tun. Die Geschichte mit Neidhardt und dem Opium macht mir Sorgen. Wir müssen klären, wo die Drogen herkommen. Ich kenne mehr als einen, der Truppel und seiner Verwaltung gerne am Zeug flicken würde, wenn er nur eine Angriffsfläche fände. Dieses verfluchte Opium, es bringt nichts als Unfrieden. Ich habe schon viele gute Männer daran zugrunde gehen sehen. Wir müssen außerdem herausfinden, was mit diesem Neidhardt geschehen ist, welchen Schaden er noch angerichtet haben könnte. Übrigens, stehen Sie bequem, Soldat.»
Konrad stellte sein rechtes Bein leicht zur Seite. Aha, sie waren jetzt privat. Bequem. Er konnte sich also auch einen Umgangston erlauben, der etwas lockerer war als die offiziellen Dienstgespräche. «Und wie wollen wir das tun?»
«Wir ziehen uns an und gehen zu Sato Takashi. Wenn jemand etwas weiß, dann er.»
«Ein Japaner?»
Fauth grinste. «Ja, ein Japaner.»
Satos Laden lag im Viertel der chinesischen Händler und Kaufleute, das sich im Norden an das der europäischen Geschäftsleute anschloss. Auf dem Weg dorthin überlegte Konrad, was er von ihm wusste. Er hatte den Japaner hin und wieder gesehen. Ein noch relativ junger Mann mit einem verschmitzten Lächeln, klein, gedrungen, wieselflink, der mit japanischen Spezialitäten und chinesischen Raritäten handelte, vor allem mit Potenzmitteln aller Art, wobei Ginseng noch das harmloseste war. Sein Angebot reichte über Heilpilze und allerhand andere Drogen bis hin zu Pulvern aus Ingredienzen, von denen Konrad lieber nicht wusste, woher sie stammten. Getrocknete und gemahlene Tiger- und Elefantenhoden, Nashorn-Pulver, Schildkröten – damit konnte er sich noch abfinden. Doch das Schlürfen von ganzen Küken aus rohen Eiern fand er gewöhnungsbedürftig. Eher anfreunden konnte er sich mit dem Tipp von Rathfelder. Der Schwabe schwor auf den Extrakt von Butea superba, einer Art Rankepflanze. Das Zeug wurde aus Thailand eingeführt und sollte ungeahnte Manneskräfte verleihen.
Der Japaner war jedenfalls eine ziemlich zwielichtige Erscheinung, fand Konrad. Außerdem wurde gemunkelt, er sei in regelmäßigen Abständen
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