Die Konkubine
kann ich froh sein, wenn ich für meinen Anteil an der Brauerei noch halbwegs anständig mit Aktien abgefunden werde und die Schulden bezahlen kann. Was soll ich nur tun?»
«Kannst du die Brauerei ohne Neidhardt auflösen?»
«Das ist es ja. Eigentlich brauche ich ihn dazu. Aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Keine Ahnung, wo er stecken könnte. Ich habe schon die Passagierlisten aller Schiffe durchgesehen, die in der letzten Zeit in Richtung Heimat ausgelaufen sind. Er stand nicht darauf. Die Familie seiner chinesischen Geliebten stellt sich taub, dort ernte ich nur Schulterzucken. Ich kann es den Leuten noch nicht einmal verübeln. Er hat die Frau einfach mit zwei Kindern sitzen lassen. Das ist für diese Bauern eine Katastrophe. Außerdem herrscht in den Papieren ein heilloses Durcheinander.»
In diesem Moment kam der Boy mit einer großen Kanne Tee und einem Krug Brauselimonade. Landmann rührte den Tee nicht an, er beachtete den Becher noch nicht einmal, den der verschlafene Adam vor ihn auf den Tisch gestellt hatte. Fauth schenkte sich Brauselimonade ein, ohne Landmann etwas anzubieten. Konrad konnte im mäßig hellen Schein der elektrischen Deckenfunzel erkennen, dass er außerordentlich besorgt war. So bestürzt hatte er den kleinen Mann noch nie erlebt, selbst damals nicht, als sie den toten Heizer in Kaumi abgeholt hatten. «Geh jetzt heim, Gottfried. Und beruhige dich. Ich werde mit Truppel reden und sehen, was wir tun können. Vielleicht finden wir deinen betrügerischen Braumeister ja. Am besten bringst du mir die Bücher mal vorbei. Mein Gehilfe ist Kaufmann, er versteht etwas davon. Gabriel kann sich die Ausgaben und Einnahmen sowie die aufgezeichneten Lieferungen ja mal anschauen, vielleicht findet er etwas Verwertbares, irgendeinen Hinweis. Aber ich muss schon sagen, du warst sehr leichtsinnig, diesem Neidhardt derart zu vertrauen.»
In den blassblauen Augen Landmanns keimte so etwas wie Hoffnung. «Ich danke dir, Fritz. Das vergesse ich dir nie.»
Fauth nickte. «Ich bin schließlich auch ein gelernter Braumeister, da werde ich dich doch nicht im Stich lassen. Geh jetzt heim. Und grüße Maria von mir.»
Nachdem Landmann gegangen war, blieb Fritz Fauth noch eine ganze Weile regungslos sitzen. Die Rauchwölkchen, die aus seiner Pfeife aufstiegen, folgten immer dichter aufeinander. Hin und wieder trank er einen Schluck Limonade. Dann kam Leben in ihn, er schien einen Entschluss gefasst zu haben. «Gabriel», brüllte er.
«Hier», erwiderte der Gefreite Gabriel wesentlich leiser und wunderte sich immer noch. Fauth hatte also das Brauereihandwerk gelernt. Warum trank er dann eigentlich immer nur Brauselimonade? Vielleicht deshalb?
«Haben Sie alles mitgehört?»
Konrad nickte.
«So. Ja. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie auch nur ein Wort verlauten lassen.»
«Ich schweige wie ein Grab.»
«Was halten Sie von all dem? Ernste Sache das. Ich hatte schon seit einer Weile den Eindruck, dass wieder mehr Opium kursiert. Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Und dann die Sache mit diesem Neidhardt. Sehr mysteriös.» Mit einem Ruck stand er auf. «Ich gehe jetzt zu Sato. Vielleicht weiß er mehr.»
«Sato?»
«Also gut, wenn Sie sowieso schon alles wissen, können Sie ebenso gut mitkommen. Doch Sie halten die Klappe, Gabriel. Habe ich mich klar ausgedrückt?»
«Zu Befehl.»
Fauth sah ihn mit einem scharfen Blick an. «Ich denke, ich sollte Sie ein wenig aufklären. Wir bewegen uns hier nämlich in einem Minenfeld. Sie wissen vermutlich, dass das Schutzgebiet nicht wie die anderen Kolonien der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, sondern dem Reichsmarineamt unterstellt ist?»
«Jawoll.»
«Nun, das sorgt für ständigen Druck hinter den Kulissen, manchmal auch für offenen Kampf. Staatssekretär Tirpitz muss in Berlin ständig den Kopf hinhalten. Jedenfalls gibt es dauernd Reibungen. Zum Beispiel zwischen dem Reichsmarineamt und dem deutschen Gesandten in Peking, also der politischen Vertretung, ebenso mit dem Generalkonsulat in Schanghai, das über weitreichende politische und wirtschaftliche Vollmachten verfügt. Und Truppel sitzt in Tsingtau auch zwischen allen Stühlen. Er muss versuchen, die verschiedenen Interessen auszubalancieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass es mit Kiautschou vorangeht. Das ist keine leichte Aufgabe. Zumal der Konsul in Tsinanfu, dieser überaus strebsame und ehrgeizige Herr, im Zweifel über Leichen und über Gräber geht. Jedenfalls zündelt er
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