Die Konkubine
Glück für uns, dass der Wert des Kupfers der einzelnen Käsch-Münzen inzwischen höher ist als deren Kurswert im Vergleich zu den fremden Währungen. Insofern sorgen die Eindringlinge sogar selbst dafür, dass wir die Mittel in die Hand bekommen, um sie eines Tages aus unserem Land zu vertreiben. Und glücklicherweise haben wir ja hier unseren Freund Sato, der dies alles für uns regelt.»
Sato verzog sein Gesicht zu einem bemühten Lächeln. Er war offenbar ebenso erstaunt über das plötzliche Auftauchen Liangs in Qingdao wie die anderen. Natürlich wusste der Japaner nichts von den anderen Geschäften. Da gab es einige Probleme zu lösen. Liu musste die Waffenlieferungen schnellstens wieder in Gang bringen. Erst dieser Heizer und nun der Braumeister! Das ganze fein geknüpfte Netz der geheimen Wege für den Waffenhandel war durch dessen uneinsichtiges Verhalten gefährdet worden. Der Transport der Waffen, gut versteckt unter den Schiffsladungen mit Gerste und Hopfen, fiel aus. Yuan Shikai wurde ungeduldig, und das machte den Generalgouverneur sehr übellaunig.
Liu seufzte innerlich. Es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Geschäfte liefen. Er würde die Lage mit vertrauenswürdigen Mitgliedern der Kaufmannsgilde aus Dabaodao besprechen. Zunächst aber war es unbedingt notwendig, dass Liang so schnell wie möglich abreiste. Mit seiner Anwesenheit gefährdete er sie alle.
Zwei Tage später ging er in das Zimmer seines Sohnes im zweiten Hof, um sich Gewissheit über dessen politische Gesinnung zu verschaffen. Auf dem Schreibtisch fand er einen Stapel Bücher und eine aufgeschlagene Zeitschrift. Was war das? Er markierte die Seite und schlug den Titel auf. Xin xiaoshuo hieß das Blatt, «Der neue Roman». Vergeudete der Sohn seine Zeit etwa mit Weiberkram? Im Inhaltsverzeichnis fand er den Namen des Verfassers. War das zu glauben! Liang Qichao! Wer hätte gedacht, dass dieser Reformer, dessen Nachruf auf Tan Sitong selbst ihn, den alten Mann, zu Tränen gerührt hatte, so etwas Frivoles schrieb! Beim Zurückblättern fand er den Titel: «Die Zukunft des neuen China».
«Sieh dir das heutige China an», sagte Li zu seinem Freund. «Kann man es denn als chinesisches China ansehen? Wo in den achtzehn Provinzen gibt es noch einen Flecken Erde, der nicht in der Interessensphäre eines fremden Landes läge?»
Liu Guangsan setzte sich. Nein, er musste sich nicht sorgen. Das war nach seinem Herzen. Ein politischer Roman! So etwas hatte es in der chinesischen Literatur noch nie gegeben. Er nahm die Zeitschrift mit in sein eigenes Zimmer. Er freute sich auf die Lektüre. Youren würde nicht so bald wiederkommen. Er war mit einer Nachricht nach Shanghai unterwegs. Sein Ältester hatte den Auftrag begeistert angenommen, denn so konnte er noch eine Weile in der Gesellschaft von Liang bleiben, der ebenfalls im Süden zu tun hatte.
Was Liu an diesem Abend las, wirkte wie ein Donnerschlag! Die Handlung spielte in der Zukunft, in etwa sechzig Jahren. Und China war – eine Republik! Liang Qichao war keiner der ihren mehr, der Konstitutionalisten, sondern vertrat die Utopien der Revolutionäre! Hoffentlich wusste Yuan Shikai, was er tat, wenn er auf die Mithilfe solcher Leute setzte. Er musste ihm seine Entdeckung mitteilen. Allerdings auf eine Weise, die seinen Sohn nicht gefährdete.
Kapitel 10
Tsingtau, 18. August 1903 Liebe Martha,
es hat mich sehr gefreut, von Euch allen zu hören, besonders, dass es Euch gut geht. Ich denke oft an Berlin und lese deshalb mit großem Interesse, was Du mir aus der Heimat berichtest. Sag Deinem Mann, dass ich ganz seiner Meinung bin: Union Berlin hat große Chancen, der Sieger bei der ersten Deutschen Meisterschaft des DFB zu werden. Ich drücke unseren Fußballern von China aus die Daumen. Die Leipziger sind aber auch nicht schlecht, sagt man hier.
Wir hier in China spielen auch fleißig Fußball. Es ist schon fast ein Muss bei den Soldaten, auch wenn die Bewegung in Kombination mit der Schwüle gehörig schweißtreibend sein kann. Ja, ja, ich weiß schon, mein Schwager reibt sich jetzt die Hände, weil Dein sportfauler Bruder nun auch hinter einem Ball herlaufen muss. Du kannst ihm ausrichten, dass ich auch zum Skat-Club gehöre. Im Seemannsheim gibt es immer wieder Turniere.
Das Vereinsleben hier ist überhaupt sehr rege. Natürlich gehören alle die sportlichen Aktivitäten dazu, die die «feine» Gesellschaft so liebt. Zur höheren Gesellschaft zählen sich hier
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