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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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nicht ihm galt. Youren war der Erstgeborene und als solcher stand ihm ein besonderer Platz im Herzen des Vaters zu. Liu Guangsan war froh, ihn wieder in seiner Nähe zu haben.
    Dem Kaufmann Liu und seinem Sohn wurde auf das verabredete Zeichen hin die Türe geöffnet. Im Hinterzimmer des Japaners warteten bereits zwei weitere Männer. Ein schlanker Chinese mit durchdringendem Blick ging auf Youren zu. Dieser stutzte und strahlte dann. «Liang Laoshi, mein verehrter Lehrer, wie mutig von Euch, hierher zu kommen!»
    Der Reformer lächelte Youren zu, der ihn ehrfürchtig anblickte. «Ich musste doch mit eigenen Augen sehen, was die Deutschen hier bereits gebaut haben. Dieser Schrameier soll Hervorragendes geleistet haben.»
    Sato Takashi verneigte sich stumm, um die Eintretenden zu begrüßen. Youren beachtete ihn kaum. Liu Guangsan war die Unhöflichkeit seines Sohnes peinlich. Dieser hatte nur Augen für Liang Qichao. «Wie habt Ihr es denn geschafft, heimlich einzureisen? Es ist viel zu gefährlich, Meister. Ihr hättet entdeckt werden können.»
    Liang zuckte die Schultern. «Ich habe Freunde in hohen chinesischen Kreisen der Provinz Shandong – und auch bei den Europäern. Die Briten haben mir geholfen.»
    Während sein Sohn und Liang Qichao Neuigkeiten über gemeinsame Freunde und über ihr großes Vorbild Kang Youwei austauschten, beobachtete Liu den Mann. Ihm wurde immer unbehaglicher. Liang Qichao war ein Schüler Kang Youweis. Der Reformer hatte letztes Jahr an einem neuen Werk gearbeitet, das er die Große Gleichheit nannte. Es war nicht veröffentlicht. Youren hatte ihm erzählt, Kang Youwei glaube, die Zeit sei noch nicht reif dafür. Manchmal zitierte er vor besonders ausgewählten Schülern aus seinen Schriften. Einmal war Youren dabei gewesen. Damals hatte Kang über die neun Barrieren gesprochen, die überwunden werden müssten, um die Große Gleichheit zu schaffen. Die Grenzen zwischen Nationen und Stämmen müssten fallen, hatte er gesagt. Kang träumte von der Verwirklichung einer großen Weltregierung. Die Barrieren zwischen Adligen und Gemeinen, zwischen den Rassen, ja sogar zwischen Männern und Frauen müssten dafür abgeschafft werden. Selbst die Familie, die Beziehung zwischen Vater und Sohn, zwischen Ehemann und Ehefrau betrachtete er als eine solche Barriere, die zur Schaffung der Großen Gleichheit verschwinden müsse.
    Diese Weltregierung war nichts als eine Utopie. Han-Chinesen, Europäer und Amerikaner würden sich niemals darauf einigen können! Und Kangs Angriff auf die traditionelle Lebensweise der Familie, die Art, wie Männer und Frauen miteinander umgingen – niemals. Was waren die anderen Barrieren? Ach ja, die des Berufes und die durch ungleiche Gesetze. Dann die Trennung zwischen Menschen- und Tierwelt. Liu schüttelte innerlich den Kopf. Das war die Idee eines Phantasten. Am meisten leuchteten ihm Kangs Ausführungen zur letzten Barriere ein. Er konnte sich gut an Yourens Worte erinnern, als dieser sein großes Vorbild zitiert hatte: «Die neunte heißt die Barriere der Bitterkeit: Sie will besagen, dass Leiden Leiden gebiert, dass es von Art zu Art weitergegeben wird, ohne Ende, ohne Versiegen, jenseits aller Vorstellungskraft.»
    Trotzdem, sein Verhältnis zu ihm und seinem Schüler Liang Qichao würde immer zwiespältig bleiben. Doch Yuan Shikai unterstützte ihn nun einmal.
    Er musste dringend mit Youren sprechen. Liu beobachtete, wie sein Sohn mit Kangs Schüler Liang Qichao sprach, und fragte sich erneut besorgt, wie viel Einfluss er auf seinen Erstgeborenen noch hatte. Dem Vater widersprechen! Dieser Gedanke wäre ihm als jungem Mann niemals gekommen. Sofort, wenn sie wieder zu Hause waren, würde er Youren unter einem Vorwand wegschicken und sich in seinem Zimmer umsehen. Er durfte das nicht mehr aufschieben. Bevor er mit ihm sprach, musste er genau wissen, womit er sich befasste.
    Ein Räuspern holte ihn aus seinen Überlegungen zurück in die Gegenwart. Er gesellte sich zu den anderen Männern. «Wir sollten über das Silber reden», unterbrach er das angeregte Gespräch seines Sohnes mit Liang Qichao.
    Sato nickte. «Ja, wir sollten über das Silber reden. Ist genügend beisammen?»
    Liu machte eine zustimmende Geste und schaute sich suchend um. «Ist Hu noch nicht eingetroffen?»
    In diesem Moment klopfte es erneut im vereinbarten Rhythmus. Sato erhob sich, um den letzten Gast einzulassen. Es war der Erwartete, Hu Haomin, der Adjutant von Zhou Fu, der Vertraute und

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