Die Konkubine
zum zeremoniellen Austausch vorweisen kann, gilt hier als Barbar. Neben meinem deutschen steht auch mein chinesischer Name auf der Karte. Tang hat ihn mir verpasst, er ist also sozusagen mein Taufpate. Man kann unsere Namen nämlich nicht einfach ins Chinesische übertragen, es können ziemliche Missverständnisse entstehen. Manchmal machen sich die Chinesen auch einen Jux daraus, unwissenden Ausländern lächerliche Namen zu verpassen. Zum Beispiel habe ich einen Mann namens Schwein kennengelernt. Er hatte einfach das falsche Zeichen für zhu gewählt. Ich jedenfalls heiße dank Tang Huimin nun Ge Kangle. Ge ist einer der «hundert Familiennamen». Kang bedeutet gesund und le glücklich. Klingt doch nicht schlecht, oder?
Apropos glücklich. Bist Du denn fleißig im Schrebergarten zugange? Grüße jedenfalls die anderen Laubenpieper herzlich von mir. Schade, dass ich Dir in diesem Jahr nicht in die Marmeladentöpfe schauen und von Deinen Gurken nach Spreewälder Art stibitzen kann.
Über Deine Version der Geschichte der Gründung dieser neuen Firma Telefunken habe ich herzlich gelacht, besonders über den Spruch, den man in Berlin dazu mal wieder hat: «Und als man von oben deutlich gewunken, schuf man die Gesellschaft Telefunken.» Stimmt es, dass unser Wilhelm Zwo die Streithähne durch sein Machtwort geeint und zur gemeinsamen Firmengründung gezwungen hat? Na, dann bin ich ja mal gespannt, ob Siemens, Braun und AEG miteinander zurande kommen. Auch hier in China haben die Gazetten übrigens berichtet, dass im Mai in Berlin eine Gesellschaft für drahtlose Telegraphie gegründet worden ist. Egal, wie es weitergeht, diese neue Art der Nachrichtenübermittlung wird uns noch einige Überraschungen bescheren, davon bin ich überzeugt.
Hier in Tsingtau sind alle freudig erregt, aber nicht wegen Telefunken. Es sind sogar einige Damen-Komitees zur Verschönerung entstanden, ihrer eigenen und die der Stadt. Prinz Adalbert, der Sohn seiner Majestät, kommt im Dezember nach Tsingtau. Er soll auf einem Kreuzer Dienst tun. Die Frauenwelt ist in heller Aufregung, die Schneider sticheln sich die Finger wund, die Putzmacherin (sie stammt aus Dresden) kann sich vor Aufträgen kaum noch retten. Die Herren tun so, als wäre es nichts Besonderes. Ich glaube, die Marineoffiziere sind alle ein wenig neidisch darauf, wie die Augen der Damen glänzen, wenn von Adalbert die Rede ist. Er soll ja sehr charmant sein und interessiert sich schon seit seiner Jugend für die Marine, wie man hört.
Wo man das hört? Der Prinz und seine «Verhältnisse» – darunter kannst Du Dir vorstellen, was immer Du willst, meine liebe Martha – waren das Gesprächsthema Nummer eins bei unserer dreitägigen Landpartie in den Lauschan. Ja, Du hast richtig gelesen, Landpartie. Und das natürlich mit Musik. So kam auch ich in den Genuss eines Ausfluges zum neuen Mecklenburghaus, das allerdings erst im nächsten Jahr offiziell eröffnet wird.
Der Lauschan ist eine beeindruckende Bergkette im Osten, in der es viele Tempelanlagen gibt. Es ist wunderschön dort, schroffe Felsen, tiefe Schluchten, Wasserfälle. Ich glaube, der Lauschan ist ein Granitgebirge. Tang sagt, an Stelle des Gebirges lag vor langer Zeit einmal ein Meer.
Wir waren unter anderem beim Tempel der neun Wasser. Er liegt in einem herrlichen Bambushain. Der Tempelpass ist übrigens 447 Meter hoch. Ja, ja, ich notiere alles genau, wie Du es wolltest, liebe Martha. Nun kannst Du sehen, wie Du mit den langen Briefen aus China fertig wirst. Ich musste lachen, als ich gelesen habe, dass Du sie den Kleinen portionsweise als Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Und ich habe mir daraufhin natürlich vorgenommen, jetzt besonders sorgfältig zu berichten. Was nicht ganz jugendfrei ist, kannst Du ja überlesen.
Zurück zum Lauschan. Von Litsun, dem Hauptort des Landbezirkes unseres Schutzgebietes Kiautschou aus, sind wir per Pferd, Maulesel und Esel, je nachdem, was zu bekommen war, in die Berge aufgebrochen. Die Damen bevorzugten Tragstühle oder Rikschas. Eine sehr energische Besucherin aus Deutschland hat die ganze Anordnung durcheinandergebracht, weil sie darauf bestand zu reiten. Sie war der Ehrengast, weswegen sich Gouverneur Truppel den ganzen Hinweg über höflichkeitshalber an ihrer Seite aufhalten musste. Seine Miene war ziemlich säuerlich. Er ist dann früher zurückgeritten, dringender Geschäfte wegen, und hat die Begleitung anderen Herren überlassen. Die Dame hat sehr ausgeprägte Meinungen,
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