Die Korallentaucherin
es Probleme?«
»Deine Mum. Sie hat sich einen Floh ins Ohr gesetzt.«
»Warum wundert mich das nicht? Worum geht’s?«
»Ach, Schatz, vielleicht solltest du mal zu Besuch kommen und ihr diesen hirnrissigen Plan ausreden. Du fehlst ihr so sehr. Uns allen. Du bist so weit fort …«
»Was für einen hirnrissigen Plan, Vi?«
»Sie will in deiner Nähe sein. Dir helfen, wenn das Baby da ist.«
»Tja, das verstehe ich schon. Aber sie weiß doch, wo ich lebe. Sie kann nicht herkommen.«
Gott sei Dank.
»Sie zieht nach Headland Bay. Sie hat schon eine Wohnung gefunden. Mit Blick aufs Wasser sogar. Drei Zimmer.«
»O nein. Großer Gott, das ist ja nicht zu fassen. Entschuldige, Vi. Sie ist doch noch nicht umgezogen, hat noch keinen Mietvertrag, nichts unterschrieben? Oder?«
»Sie weicht uns aus. Du weißt doch, wie sie das Thema wechselt, wenn sie nichts erzählen will.«
Das nennt man ausweichend und hinterhältig.
»Ja, ich weiß. Und was soll ich jetzt tun? Ich will dich nicht in die Zwickmühle bringen; sie darf nicht wissen, dass du mich angerufen hast.«
»Ruf sie morgen früh zu einem kleinen Schwatz an. Ich sage nichts. Ich dachte nur, du solltest es wissen, Schatz.«
»Unbedingt. Danke, Vi. Geht es Onkel Don gut?«
»Uns allen geht’s gut. Wir würden dich gern sehen.«
»Vielleicht komme ich zu einem Kurzbesuch. Um für das Baby einzukaufen, zum Arzt zu gehen und so. Damit sie sich beruhigt.«
»Oh, ich bin so froh, Jenny. Wir haben uns große Sorgen gemacht. Sie setzt sich etwas in den Kopf, und niemand kann es ihr ausreden. Sie lässt sich nichts sagen.«
»Keine Angst. Es ist eine blöde Idee. In einem halben Jahr könnten wir schon wieder versetzt werden. Nach Europa oder sonst wohin. Bei Blair kann man nie wissen.«
»Oje. Das klingt nicht gut. Das wäre ja noch weiter weg. Dann bekommen wir das Baby nie zu sehen.« Sie schien den Tränen nahe zu sein.
»Vi, ich bezweifle, dass es dazu kommt. Aber wir müssen Mum zu verstehen geben, dass wir wegen Blairs Beruf ständig umziehen müssen. Solange er die Karriereleiter hinaufsteigt, können wir für ungewisse Zeit Gott weiß wohin versetzt werden. So erklären wir es ihr, okay?«
»Kapiert, mein Schatz. Ich überlasse es dir. Entschuldige, dass ich dich belästigt habe.«
»Vi, ich danke Gott, dass du es getan hast. Wir müssen diesen Plan im Keim ersticken. Keine Angst. Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch, Schätzchen. Pass auf dich auf. Auf dich und das Kleine.«
Eine Reise nach Sydney. Die Vorstellung gefiel Jennifer, auch wenn sie sich dann um ihre Mutter kümmern musste. Sie könnte ihre Arbeit bei Professor Dawn abliefern und über ihr weiteres Studium sprechen. Isobels Stimme hallte durch ihren Kopf, als sie sich das Gesicht wusch und sich bettfertig machte.
Wir alle haben die Wahl. Manchmal treffen wir sie selbständig, manchmal werden wir darauf gestoßen. Es liegt an dir, die Richtung zu ändern, die dein Leben einschlägt.
Jennifer betrachtete ihr von Reinigungsmilch glänzendes Gesicht im Spiegel. Sie blickte in blaue Augen. »Wie es aussieht, muss ich wohl ein paar Entscheidungen treffen«, sagte sie laut. Und ausnahmsweise fühlte sie sich nicht unsicher und hatte nicht das Bedürfnis, eine zusätzliche Meinung einzuholen, sei es Blairs, Vis, die eines Professors oder einer Freundin.
C’est la vie.
Sie griff nach der Box mit den Kosmetiktüchern. »Christina, du bist ein Ärgernis«, sagte sie laut. »Aber diesmal gewinnst du nicht.«
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Kapitel zwölf
Riff-Wanderung
J ennifer kroch aus dem Bett, als der winzige Wecker klingelte. Blair regte sich, wachte jedoch nicht auf. Es war dunkel. Drei Uhr morgens. Verrückt, dachte sie. Doch sie war wach und bereit für Isobels Pläne. Sie hatten sich am Strand vor der Terrassenbar verabredet. Es war kühl, und Jennifer trug ein Tank-Top unter ihrem T-Shirt, zog ihre Segeltuchschuhe an, griff nach der Taschenlampe und schlich auf Zehenspitzen nach draußen.
Ein Kreischen ertönte, gefolgt von Stöhnen und leisem Gefiederrauschen, als sie zwischen die Schatten der Sturmtaucher auf dem Weg trat. Weder sie noch Blair nahmen ihr nächtliches Balzen und Zanken wahr, obwohl es klang, als würden Babys getötet. Doch Jennifer fragte sich immer noch, warum sie ihre Löcher ausgerechnet mitten auf den Wegen anlegen mussten. Die Leitung der Ferienanlage legte Platten darüber, auf die »Vorsicht, Sturmtauchernest« gestanzt war.
Jennifer schaltete die Taschenlampe aus, als sie
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