Die Korallentaucherin
wandte Rosie ihr tränenüberströmtes Gesicht zu. »Nein, den Leuten vom Personal wird es egal sein. Sie alle hüpfen von einem Bett ins andere, streiten sich und haben
Affären
… Wenn nur meine verflixte Mutter nicht in Headland wäre, dann könnte ich dort wohnen und im Bedarfsfall hierherkommen.«
»Gib ihm eine Chance, Jenny, denk an das Baby. Lass es nicht zu, dass es ihm gelingt, dich aus deinem Heim zu vertreiben. Er kann in eine der Angestelltenwohnungen ziehen.«
»Ich will mit meinem Kurs in Meeresbiologie beginnen. Siehst du, jedes Mal, wenn ich mir etwas vornehme und mein eigenes Leben gestalte, kommt Blair mir in die Quere.«
Rosie hatte versucht, zu vermitteln und zu trösten. Persönlich sah sie in Blair nichts weiter als einen Angestellten. »Dann verlasse ihn.«
Jennifer antwortete nicht und wandte den Blick ab.
»Entschuldige. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Hör zu, lass ein bisschen Zeit vergehen, geh ihm aus dem Weg und überstürze nichts. Du musst dir darüber klarwerden, ob du diesen Kerl liebst, und wenn, wie sehr. Und lass dich in deiner Entscheidung nicht durch das Baby beeinflussen«, riet Rosie ihr mit fester Stimme.
»Das ist leicht gesagt.« Jennifer brach erneut in Tränen aus. Sie griff nach ihrem Kaffeebecher und nippte daran, konnte jedoch nicht schlucken und stellte ihn wieder ab.
Rosie beugte sich vor und wischte mit einer Serviette den Milchschaum von Jennifers Oberlippe. »Tu genau das, was du für das Beste für dich hältst. Nicht für Blair, nicht für das Baby. Wir sind alle für dich da. Auch Isobel. Bist du bereit, Blair jetzt zu sehen, oder lieber später? Er weiß noch nicht, dass du zurück bist.«
»Ich mache einen Spaziergang und denke ein bisschen nach. Wissen Isobel, Mac und Gideon von der Sache? Natürlich.« Jennifer stand mit weichen Knien auf. »Ich fühle mich, als wäre ich gegen eine Mauer gelaufen. Weißt du, was im Moment das Schlimmste ist? Meine Mutter. Sie wird sagen: ›Hab ich doch gleich gesagt.‹ Und: ›Männer! Man kann ihnen nicht vertrauen.‹ Und sie wird wollen, dass ich bei ihr einziehe. Und sie wird so verdammt selbstgefällig sein.«
Rosie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Überlass deine Mutter Isobel und mir. Gehe einfach einen Schritt nach dem anderen. Besuche Mac und Gideon und die anderen in der Forschungsstation. Ich lasse deine Sachen in Suite fünfundzwanzig bringen. Was soll ich Blair sagen?«
»Vermutlich hat er sich mit dieser Susie irgendwo verkrochen und will mich nicht sehen«, sagte Jennifer.
Wie konnte er mir das antun? Und … wieso wundert es mich gar nicht mal sonderlich?
»Und das Abendessen? Magst du hier mit mir zusammen essen? Ich lasse uns etwas bringen.«
»Rosie, da die Sache längst allgemein bekannt ist, werde ich nicht weglaufen und mich verstecken, als hätte ich etwas Böses getan. Würdest du Doyley bitten, einen Tisch mitten im Speisesaal für Blair und mich zu reservieren? Und sag bitte Blair, dass ich ihn um zwanzig Uhr treffen möchte.«
Rosie blinzelte. »Bist du sicher?«
»Keine Angst, Rosie, es wird keine hässlichen Szenen geben.« Jennifer öffnete die Tür.
»Schade. Das wäre doch recht unterhaltsam für unsere Gäste gewesen«, scherzte Rosie. Ihr Blick war sanft und mitfühlend. »Das machst du gut, Jenny.«
»Danke, Rosie. Du bist ein echter Kumpel.«
»Sicher doch. Bis später.«
Die Nachmittagssonne schien nicht mehr so brennend heiß. Die Gäste strebten vor dem rituellen Sonnenuntergangsdrink ihren Zimmern zu. Jennifer ging und ging; ihre Gedanken überschlugen sich. Sie blieb stehen, fragte sich, wo sie war, und konnte sich nicht erinnern, wie sie hergekommen war.
Das ist doch lächerlich. Ich schlafwandle. Isobel hat mir geraten, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen.
Sie befand sich auf der höchsten Erhebung von Coral Point, auf dem kleinen, windumwehten Gipfel mit dem großartigen Ausblick übers Meer. Zu einer Seite erstreckte sich Boomerang Cove mit dem halbmondförmigen Strand, der sich bis zur dahinterliegenden Ferienanlage ausdehnte. Ein Weg führte unter die Bäume und quer über die Insel zu Gideons Seite, ein anderer zweigte zur Forschungsstation ab. Auf dem Strandweg gelangte man zur Ferienanlage. Irgendwo befand sich ein kleiner Pfad in Richtung Boomerang Cove.
»Alles in Ordnung … Miss?«
Sie fuhr herum und sah den alten Patch hinter ihr stehen, die Hände in den Taschen, die schwarze Klappe, sein Markenzeichen, über einem Auge,
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