Die Korallentaucherin
Vorzug – eine unabhängig denkende Frau.«
»Warst du mal verheiratet? Oder hast du zumindest mal mit dem Gedanken daran gespielt?«, fragte Jennifer. Sie spürte, wie sein Arm und Rücken sich versteiften, und ahnte, dass sie den Finger in eine Wunde gelegt hatte.
»Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Aber daraus ist nichts geworden.«
Sie tanzten noch eine Weile, und Jennifer entschied sich, nicht weiter in ihn zu dringen. Gehörte Tony zu diesen Männern mit Bindungsangst, über die sie in Zeitschriften gelesen hatte? Dabei wirkte er doch so welterfahren: weit gereist, erfahren, gebildet; er hatte die Schattenseiten des Lebens gesehen und war sensibel und, wie sie vermutete, sogar sentimental.
Anscheinend wollte er reden. Wenn er Jennifer im Arm hielt und in ihr Haar sprach, konnte er ihr Gesicht nicht sehen. Das machte es ihm leichter. »Ich habe emotionale Verletzungen davongetragen, die im Vergleich zu den Wunden verblassen, die der Krieg geschlagen hat, aber den Rest gab es mir dann, als ich versuchte, ein kleines Mädchen zu retten und zu adoptieren. Ich war auf die Schwierigkeiten und den Papierkrieg vorbereitet, aber nicht darauf, dass sie getötet wurde. Daraufhin kam ich zu dem Schluss, dass es einfacher ist, sein Herz nicht zu öffnen, statt es sich brechen zu lassen.«
»Isobel sagt, man muss Vertrauen haben und daran glauben, dass man noch etwas Wunderbares zu erwarten und dass man es verdient hat«, sagte Jennifer leise und fuhr dann fort: »Ich arbeite an diesem Konzept.«
»Du musst eine sehr starke Frau sein«, bemerkte Tony. »Nicht viele hätten den Mut, das zu tun, was du auf dich genommen hast. Ich bewundere dich. Man sieht da draußen so viele schlechte Beziehungen und Ehen und denkt sich: Wer will das? Das alles erscheint so schwierig.«
»Danke für dein Vertrauensvotum«, sagte sie trocken. »Ich kann nicht weiter denken als bis zu meinem Studienabschluss, dem Buch mit dir und Mac und, o ja, bis zur Geburt meines Kindes.«
Tony verzog das Gesicht. »Autsch. Im Vergleich dazu wirkt mein derzeitiges Leben ziemlich träge. Noch ein Grund dafür, dass ich gern auf einer Insel lebe, besteht darin, dass ich nicht mit einem reizbaren Redakteur, alternden Eltern, einer Schwester mit Eheproblemen und der Entscheidung, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll, konfrontiert werde.«
»Oje. Kann das Leben denn nicht auch mal einfach sein? Schlicht? Ich hatte gehofft, dass ich mich nicht so würde abplagen müssen wie meine Mutter.«
Und dass ich nicht so unglücklich sein würde wie sie.
Sie sprach in leichtem Tonfall, doch er ahnte, dass etwas mehr dahintersteckte.
»Was hält deine Mutter von deiner großen Entscheidung?«, fragte er sanft.
»Sie weiß es noch nicht. In ein paar Tagen habe ich einen Arzttermin, und dann besuche ich sie zu einem Mutter-Tochter-Gespräch. Wahrscheinlich freut sie sich.«
»Warum denn das?« Tony dachte an seine eigene Mutter, wie sehr sie sich wünschte, dass er heiratete, und wie bekümmert sie sein würde, wenn seine schwangere Frau ihn verließe. Das Ausmaß von Jennifers Entscheidung wurde ihm noch deutlicher bewusst.
»Ach, sie als Witwe, nach dem traumatischen Verlust meines Vaters und Bruders … Sie ist ein bisschen besitzergreifend. Offen gestanden, kein Mann wäre jemals gut genug für mich. Blair hatte nie eine Chance. Und aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen mag sie keine Männer. So ist das nun mal.«
»Hm. Man kann es ihr wohl nicht mal verübeln«, sagte Tony mitfühlend. »Aber für dich dürfte es schwierig sein.«
Jennifer spürte heißen Ärger aufsteigen und gleich darauf Schuldgefühle. »Ist es auch. Wenn du meine Mutter kennenlernen solltest, würdest du sie mögen. Und dich fragen, was ich an ihr auszusetzen habe.«
»Nein, nein, ich weiß, wovon du redest«, beschwichtigte er. »Meine Schwester hat Schwierigkeiten mit unseren Eltern und ist oft sauer auf mich, weil ich ihr nicht den Rücken stärke. Vielleicht ist das das Problem. Ich bin zu objektiv, ich muss die Dinge von allen Seiten betrachten, und das ärgert Menschen, die einem nahestehen und bedingungslose Zustimmung und Unterstützung wollen.«
»Vielleicht bist du gerade deshalb ein ausgewogen berichtender Journalist«, vermutete Jennifer.
»Aber vielleicht ist es auch gerade das, was mich in emotionalen Beziehungen bremst«, sagte er vorsichtig. »Ich bin nicht bereit, mich hineinzustürzen, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen und mich leidenschaftlich
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