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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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ausdrucksstark gestikulierten, um ihre Worte zu untermalen. Der Blick ihrer dunklen Augen war eindringlich und aufgeregt. So klein sie war, ihre dynamische Persönlichkeit verlangte doch jedermanns ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie redete schnell und schloss mit den Worten: »Falls wir, wie früher schon geschehen, auf ein unerwartetes Wesen oder Ereignis stoßen, bleiben wir innerhalb der Vernunftgrenzen dran.«
    »Rechnen Sie damit, etwas besonders Außergewöhnliches zu entdecken?«, fragte der das Filmteam begleitende Reporter.
    »Wir betreten unbekanntes Terrain, wir wissen nach wie vor nicht, was in der Tiefsee jenseits des äußeren Riffs existiert«, sagte Isobel schlicht. »Manchmal schwimmt uns aus der Tiefe etwas entgegen, oder wir stolpern über problematische oder ungewöhnliche Naturphänomene.« Sie lächelte entwaffnend. »Es ist ein Abenteuer, nicht wahr? Manche Menschen fragen: ›Warum steigt man auf Berge?‹ Weil es sie gibt. Der Meeresboden ist die letzte Grenze. Wir tauchen hinunter, weil es ihn gibt. Und weil dort die letzte Hoffnung für diesen Planeten liegt.«
    »Ist alles in Ordnung, Gideon?«, fragte Jennifer und näherte sich dem Ufer der Lagune.
    »Könnte nicht besser sein. Bleibt nur noch die Frage: Bist du bereit für uns?« Er wies mit dem Zeigefinger nach unten. »Wir werden die unverhofften Besucher sein. Ich hoffe jedes Mal auf Antworten auf die Frage, was dort unten sein mag. Isobel betrachtet Wasser als Moleküle von Wasserstoff und Sauerstoff, die ihre Energie zusammentun, um Wasser zu bilden – die Wasserstoffverbindung, die die Welt zusammenhält.«
    »Und du betrachtest es eher poetisch.« Jennifer lächelte.
    Er nickte. »Kennst du ›Kublai Khan‹? Samuel Coleridges Gedicht:
Wo Alph, der dunkle Strom, durchfloss die tiefen Höhlen, menschenlos, hinab zum dunklen Ozean …
«
    »Fürchtest du dich … dort unten?« Jennifer dachte an ihre eigenen Ängste.
    »Daran denke ich nicht. Uns sind großartige Pioniere vorausgegangen. Was, glaubst du, haben Wilbur und Orville gedacht, als sie zu ihrem Flug starteten? Mr.Beebe tauchte 1930 in seiner Tauchkapsel mehr als neunhundert Meter tief. 1960 ging die Tauchkapsel
Trieste
hinunter bis zum tiefsten Punkt des Marianengrabens, zehntausendachthundertneunundfünfzig Meter tief. Es ist Zeit, dass wir in ihre Fußstapfen treten. Vergiss den Mond; das Meer ist die letzte große Herausforderung.« Er hob den Arm. »Und eines Tages wird mir dieser geheimnisvolle Fisch begegnen. Dann werden wir wissen, ob wir tatsächlich aus dem Meer ans Land gegangen sind.«
    Jennifer ergriff seinen Arm. Sie ahnte, dass der alte Mann nach etwas anderem als dem Wesen suchte, das, wie er glaubte, irgendwo in den Tiefen des Ozeans existierte.
    »Ich hoffe, dass du ihn findest«, sagte sie weich.
    »Er ist da. Er wird sich bemerkbar machen, wenn die richtige Zeit gekommen ist.«
    »Wovon redest du, Gideon?« Rosie blieb neben Jennifer stehen. »Das darf ich mir nicht entgehen lassen.«
    »Ach, ein altes Fischermärchen, nichts weiter. Ich muss Isobel holen. Lauf nicht weg, Miss Jennifer.«
    Sie sahen ihm nach, als er sich Isobel näherte.
    »Gideon hat mir erzählt, er hätte einmal ein wunderschönes unbekanntes Geschöpf gesehen, einen Fisch wie den uns bekannten Lungenfisch, mit Auswüchsen wie Beine. Ein bisschen wie der Quastenflosser – das letzte noch lebende Fossil, das den Menschen mit den Amphibien verbindet«, erklärte Jennifer, an Rosie gewandt.
    »Entwickelt er deshalb immer neue Methoden, um noch tiefer tauchen zu können?«, fragte Rosie.
    »Es klingt wirklich spannend. Ein Ort, wo vielleicht alles möglich ist, wo man neu beginnen, es richtig machen kann.« Jennifer blickte versonnen aufs glitzernde Meer hinaus, und Rosie warf ihr einen verwunderten Seitenblick zu. Dann ging sie zurück zur Haifischbar, wo man stundenlang auf die Rückkehr des Haimobils warten würde.
    Nach der Feier zum großen Tauchgang kam die ernüchternde Schlussfolgerung, dass die Bedrohung des Riffs sehr real war und weiter zunahm und dass der Klimawandel nur ein Teil des Problems war. Erst als in der Kantine, die zu einer Art Kinosaal mit großem Fernsehbildbildschirm umfunktioniert worden war, die Videoaufzeichnungen vorgeführt wurden, verstand Jennifer Isobels Welt und ihr Engagement wirklich und wahrhaftig. Und auch Gideons.
    Die Lichter wurden gedämpft. Von Lloyds und Carmels Boot aus fingen die Kameraleute die Bugwelle des Haimobils ein, als die

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