Die Korallentaucherin
abgereist. Rudi war auf eine Einladung des Verteidigungsministeriums hin nach Canberra geflogen. Isobel war startbereit, und Jennifer hatte Tonys Apartment im Erdgeschoss mit der größeren Küche und direktem Zugang zum Bad übernommen. Die obere Wohnung behielt sie als Arbeitsbereich, doch das Treppensteigen war für sie inzwischen ziemlich mühsam. Sie war im sechsten Monat und fühlte sich schwer und unbeholfen. Als sie für ihren Besuch bei ihrer Mutter und dem Arzt auf dem Festland eine kleine Tasche packte, kam Isobel.
»Kann ich einen Kaffee bekommen, mein Schatz? Ich möchte dir etwas erklären.« Sie setzte sich an den kleinen Tisch, und Jennifer schenkte Milchkaffee ein. »Pass auf, folgendermaßen musst du deine Zukunft und die deines Kindes gestalten. Ich spreche nicht davon, wie du und Blair das Besuchsrecht und so weiter organisiert. Ich spreche von praktischen Dingen, Jenny. Von Geld. Du musst es jetzt erledigen, und zwar schnell.«
»Ach, Isobel, das klappt schon. Blair wird das erledigen und für uns sorgen.«
»Tu’s jetzt, Jennifer. Ich habe erlebt, wie Leute diese Sache verbummelt haben und dann mit leeren Händen dastanden. Sag, wie viel du brauchst, und bleib dabei. Jetzt – solange er noch ein schlechtes Gewissen hat.« Sie lächelte.
»Isobel, ich bin schockiert. So eine bin ich nicht.«
»Solltest du aber sein. Sei gerecht, aber bleibe hart. Frag ihn: ›Also, wie willst du in finanzieller Hinsicht für mich und das Baby aufkommen?‹ Und wenn er antwortet, er habe noch nicht darüber nachgedacht, dann sagst du: ›Aber ich.‹ Und gib es ihm schriftlich. Wenn du aufs Festland fährst, such einen Anwalt auf.«
»So etwas hasse ich.«
»Soll ich dich begleiten? Ich bleibe zwei Tage in Headland, bevor ich von Brisbane aus abfliege.«
»Würdest du das tun? Wirklich? Ich glaube nicht, dass meine Mutter in solchen Dingen sehr hilfreich wäre.«
»Dann komme ich als Wachhund mit. Abgemacht. Es ist gut, wenn man alles geregelt hat und sich ohne Sorgen auf das Kind freuen kann.«
»Meine Mutter sagt, sie hält nichts davon, Geld von Männern anzunehmen. Aber sie wollte, dass Blair das Haus auf unser beider Namen eintragen ließ. Bestimmt wäre sie glücklich, zu wissen, dass ich versorgt bin, wenigstens so lange, bis ich auf eigenen Füßen stehen kann. Wenngleich das wohl noch in ferner Zukunft liegt.« Jennifer seufzte und dachte an den Stapel von Material, das sie für Mac lesen und analysieren musste.
»Du schaffst es. Es werden Dinge geschehen, die dich überraschen«, sagte Isobel voller Zuversicht. »Ich gehe jetzt und verabschiede mich von Rosie. Der Hubschrauber bringt mich aufs Festland. Ich rufe dich von meinem Hotel aus an, wenn du bei deiner Mutter bist.«
Sie nahmen einander in den Arm, und Jennifer wollte ihr danken, doch Isobel legte einen Finger auf die Lippen. »Ich sollte
dir
danken. Du machst mich stolz und glücklich.«
Sich von Mac zu verabschieden, als dieser die Heimreise antrat, war für Jennifer schwierig. »Du hast mein Leben verändert, Mac«, sagte Jennifer unter Tränen.
»Nein,
du
hast dein Leben verändert. Und zwar zum Besseren. Es wird noch eine Weile schwierig sein, aber am Ende hat es sich gelohnt. Ich weiß, dass du es schaffst.«
»Danke, Mac. Ich werde mein Bestes tun.«
»Das weiß ich. Du bist stärker, als du glaubst, Jenny. Ruf mich jederzeit an, melde dich per E-Mail, sooft du willst.«
»Du hast so viele Studenten, deine Familie, die Probleme an der Uni und hier. Ich werde mich bemühen, deine Zeit nur im Notfall in Anspruch zu nehmen«, sagte sie.
»Fühle dich nicht einsam. Besuche Gideon. Ich weiß, dass Rosie ein Auge auf dich haben wird. Aber nutze die Zeit hier für dich selbst.«
»Danke, Mac. Blair ist hier, Rosie und ich werden uns bestimmt fast täglich sehen. Ich freue mich sogar darauf, Zeit für meine Arbeit und fürs Schreiben zu haben.«
»Bleib in Kontakt mit Tony. Eure gemeinsame Arbeit an dem Buch über die Insel wird dir bei der Formulierung deiner Abschlussarbeit helfen. Viel Glück.«
Sie sah zu, wie er sich einen Hut auf den Kopf setzte, betrachtete seinen Pferdeschwanz, die ärmellose Weste über dem karierten Hemd, das im Bund seiner Khaki-Shorts steckte. Er trug Wanderschuhe, und sie lachte in sich hinein bei dem Gedanken, dass er aussah wie ein Naturforscher auf dem Weg in unbekanntes Terrain. Vielleicht traf es sogar zu – Besuche in Sydney und Canberra standen ihm bevor, Orte, an denen er sich nicht
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