Die Korallentaucherin
Schotten dichtgemacht und lagen verlassen da, abgesehen von einem Angelboot, das gerade auslief, und einem weiteren, auf dem Tony an Deck saß und bei einem Becher Kaffee die Zeitung las. Jennifer lief den Anleger hinunter und begrüßte ihn.
»Bekomme ich einen Kaffee?«
»Hey, Jen, welch nette Überraschung! Komm an Bord.«
Während Tony frischen Kaffee aufgoss, sah Jennifer sich das Boot an und staunte darüber, wie kompakt und gemütlich es war.
»Ich glaube, in meinem Zustand könnte ich mich nicht in die kleine Klokabine da vorn zwängen, aber ich verstehe, warum es dir hier gefällt«, sagte sie, als sie im Cockpit saßen und die Sonne auf den Bojen, den Booten und dem glasklaren Wasser glitzerte.
»Hier bin ich gezwungen, Ordnung zu halten. Alles hat seinen festen Platz«, sagte er. »Mein Arbeitszimmer zu Hause ist vollgepfropft mit Büchern und Papierkram.«
»Wie sieht deine Wohnung aus?«, fragte sie neugierig. »Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, dass du einen festen Wohnsitz haben könntest. Ich dachte, du lebst wie ich, mal in der Forschungsstation, mal auf einem Boot, wo auch immer, stets bereit, kurzfristig ans andere Ende der Welt zu ziehen.«
»Ich habe viel zu lange so gelebt. Irgendwann hat man die Hotels satt. Für kurze Intervalle stört es mich nicht, aber als ich von einem Einsatz im Krieg zurückkam und zerstörte, verwüstete Länder und Leben gesehen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass ein Zuhause doch überaus wichtig ist. Also kaufte ich mir ein großes Haus an der Küste, in Strandnähe. Ausnahmsweise mal in meinem Leben habe ich etwas Vernünftiges mit meinem Geld angefangen. Es ist schön, meine Habseligkeiten ausbreiten zu können, zu wissen, ich kann jederzeit nach Hause kommen, und von dort aus kann ich prima arbeiten.«
»Wer versorgt es in deiner Abwesenheit? Hast du eine Partnerin? Oder bin ich zu neugierig?«, fragte Jennifer, die plötzlich glaubte, die Mauer zu durchbrechen, die er um sich selbst gezogen hatte.
»Aber nein. Ich hatte mal ein, zwei Beziehungen. Sie haben es nicht überlebt, dass ich für so lange Zeit im Einsatz war. Und ich bin immer noch ein bisschen labil.« Er lächelte. »Wie du sagtest, um wieder vertrauen zu können, war es sehr hilfreich für mich, Freunde zu haben, die einfach da sind, aber keine Forderungen stellen.« Er griff nach ihrem Becher. »Wie wär’s mit Frühstück?«
»Ich sollte jetzt lieber gehen. Mum sorgt sich, wenn sie aufsteht und mich nicht antrifft. Vielleicht bringe ich uns ein paar Croissants mit.«
»Ich fahre dich den Hügel hinauf; wir können beim Bäcker halten.«
Christina kochte Tee. »Oh, du warst schon draußen. Dann geht es dir wohl besser?«
»Ja. Ich habe Frühstück mitgebracht. Ich habe schon mit Tony Kaffee getrunken. Später am Tag gehe ich mit ihm segeln.«
»Hältst du das für klug, Liebes? Wirst du nicht seekrank? Wie groß ist das Boot …? Kann er überhaupt segeln?«
»Mum, Tony ist der verantwortungsbewussteste Mann, den ich kenne. Bei ihm fühle ich mich absolut sicher. Was hast du denn heute geplant?«
Die Segeltour aus dem Hafen heraus und zwei Stunden an der Küste entlang gefiel Jennifer gut. Sie gab sich Mühe, ihre anfängliche Angst zu verbergen, als das Boot Fahrt aufnahm und der Rumpf sich neigte, während die Segel sich blähten und der Mast sich dem Meeresspiegel näherte. Tony ließ sie ein Segel halten und zeigte ihr, wie es über der Klampe befestigt wurde. Das Geräusch des Segels, das Wasserrauschen, alles weckte ein Hochgefühl in ihr. Sie fühlte sich leicht und frei, keineswegs unbeholfen und im achten Monat schwanger. Manchmal unterhielten sie sich, manchmal saßen sie nur verträumt da, während Tony die Segel richtete, und als sie sich auf dem Polstersitz im Bug ausstreckte, schlief sogar sie für eine Weile in der Sonne ein.
Einen Tag später verbrachte Jennifer den Vormittag mit Isobel, die Fotos, Mappen, Papiere und Videokassetten auspackte und in der Wohnung verteilte. Mittags aßen sie auswärts und lachten und redeten, fast ohne Luft zu holen.
»Also, was sagt der Arzt? Wie ist das Krankenhaus, und was ist mit den Geburtsvorbereitungskursen?«, wollte Isobel wissen.
Jennifer zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich werde es schon noch erfahren.«
»Jenny, das reicht nicht. Lass uns hinfahren und uns die Einrichtungen ansehen. Und du musst diese Kurse absolvieren, damit du genau weißt, was du zu erwarten hast.«
»Ich werde es wissen, wenn
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