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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Problem war nur, dass sie selten allein waren. Und es regnete. Warme graue Schauer hüllten die Insel ein, die Tauchboote lagen vor Anker, nur die Fischerboote fuhren noch hinaus. Das Wetter hinderte die Besucher nicht daran, schwimmen zu gehen oder am Strand entlangzustapfen. Die Leute fanden sich mehr als sonst im Hotel zusammen, die Bar und die Terrasse waren bevölkert mit zufriedenen Trinkern, die Tischtennisplatten und Billardtische im Aufenthaltsraum waren immer belegt. Blair entschied, dass eine große Reinigungsaktion in den Unterkünften der Belegschaft fällig wäre, und setzte einen Schwarm von Arbeitsbienen ein.
    Auch Jennifer fühlte sich voller Energie. Es ging ihr besser, ihre Lethargie war einer emsigen Betriebsamkeit gewichen. Unter Verwendung eines Verlängerungskabels stellte sie ihren Laptop auf der kleinen Terrasse auf und begann, Dutzende von E-Mails zu beantworten, die sie von Blairs Büroanschluss aus geöffnet hatte. Sie arbeitete auf der Terrasse, umgeben von Papierstapeln, als Rosie sie besuchte.
    »Ah, Blair sagte, du wärst wieder in Arbeitsstimmung. Der Arbeitsplatz lässt allerdings zu wünschen übrig.«
    »Er muss genügen. Kaum zu glauben, dieser Rückstau von E-Mails«, sagte Jennifer mit einem Lachen.
    »Vielleicht könnten wir irgendwo in einem der Büros ein Plätzchen für dich finden.«
    »Magst du einen Kaffee?«, fragte Jennifer.
    »Ja, gern.«
    Sie ließen sich im Garten unter dem Baum nieder. »Seit der Regen aufgehört hat, sitze ich sehr gern hier draußen und beobachte die Vögel.«
    »Jeden Tag kann es jetzt so weit sein, dass die Schildkröten zur Eiablage kommen. Das ist ein unglaubliches Erlebnis. Bevor ich hierherkam, war ich keine große Naturfreundin. Aber jetzt ist Tauchen für mich die größte Attraktion. Und du?«
    »Rosie, wie ich schon sagte, ich mag das Meer nicht. Als Kind hatte ich ein schlimmes Erlebnis. Mein Bruder ist ertrunken und, nun ja, das zog eine ganze Menge Probleme nach sich.«
    »Ach ja, richtig.« Sie erinnerte sich an Jennifers Abneigung gegen das Schwimmen. »Kein Wunder, dass du hier nicht glücklich bist, na ja, dich nicht ganz wohl zu fühlen scheinst. Ich habe mich schon gefragt, warum. Blairs Einstellung muss schwer für dich gewesen sein. Du musstest deine eigenen Interessen aufgeben.«
    Rosies Aufrichtigkeit und Mitgefühl trieben Jennifer beinahe die Tränen in die Augen. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal wegen eines Mannes schwere Entscheidungen treffen und Kompromisse schließen müsste. Meine Mutter ist immer über die Männer hergezogen. Ihrer Meinung nach versauen sie einem entweder das Leben oder sie verlassen einen. Sie hatte schwer zu kämpfen, um mich großzuziehen, und wollte immer das Beste für mich. Oder was in ihren Augen das Beste war.« Jennifer schwieg und dachte an das Geheimnis, das sie hütete. Sie war versucht, sich der warmherzigen, freundlichen Rosie anzuvertrauen. Immer wieder musste sie sich ermahnen, dass Rosie Blairs Vorgesetzte war, während sie sie mehr als ihre Freundin betrachtete. Rosie war etwa vierzig Jahre alt, und ihre starke, ausgeglichene Persönlichkeit manifestierte sich in ihrem offenen Blick und ihrer unverblümten Aufrichtigkeit, die Jennifer sehr sympathisch fand.
    Rosie beugte sich vor; sie erkannte Jennifers Verletzlichkeit. »Jennifer, ich mag dich. Blair kann sich glücklich schätzen, dich als Partnerin zu haben. Obwohl Blair und ich zusammenarbeiten, möchte ich doch, dass du mich außerhalb der beruflichen Beziehungen zu deinem Mann als deine Freundin betrachtest.«
    Wie diplomatisch. Sie kehrt die Rollen um. Blair hätte es so ausgedrückt, dass einer für die andere arbeitete, und nicht von einem Team gesprochen.
»Das ist lieb von dir, Rosie. Ich hatte bereits beim ersten Treffen das Gefühl, dich schon lange zu kennen. Blair wird das sicher verstehen und sich über unsere Freundschaft freuen. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht leicht für dich ist, unter der Belegschaft Freundinnen zu finden, da du ja die Chefin bist.«
    »Ja, zum Teil. Es ist sicherer, ein wenig Distanz zu halten. Und, offen gesagt, Jennifer, ich will ehrlich zu dir sein: Ich bin lesbisch. Ich glaube nicht, dass irgendwer es weiß oder dass es jemanden stört, und es ist allein meine Angelegenheit. Aber mein Privatleben bleibt für mich privat und läuft außerhalb der Insel ab. Ich habe eine Freundin in Headland, die Beziehung ist großartig.« Sie lachte kurz auf. »Um die Wahrheit zu sagen,

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