Die Korallentaucherin
Stimme. »Du aber nicht? Du brauchst Ruhe, Schatz, musst deine Batterien aufladen, das ist alles. Arbeitest du? Oder wie vertreibst du dir die Zeit?« Vi konnte sich nicht vorstellen, dass Jennifer lediglich faul am Pool lag oder was die Leute in diesen schicken Ferienanlagen sonst so machten.
»Ich habe in Headland Bay ein bisschen eingekauft. Es wird schon werden, Vi.«
»Ist das eine schöne kleine Stadt?«
»Jetzt noch. Ein Ferienort und gleichzeitig die Sprungschanze zu diesem Teil des Riffs. Bauunternehmer wollen die Stadt aufpeppen, und du weißt ja, was das bedeutet.«
»Oje. Erzähl mir mehr von der Insel. Deine Mutter wird alles bis ins kleinste Detail wissen wollen. Sie hat gerade ein Match, und danach treffen sie sich zu Tee und Sandwiches. Also kommt sie in den nächsten Stunden nicht zurück. Kannst du noch einmal anrufen, bevor du wieder auf die Insel fährst?«
»Ich will’s versuchen. Die Insel und die Ferienanlage sind herrlich. Wie auf den Ansichtskarten. Unsere Unterkunft ist allerdings ein bisschen beengt. Aber abgelegen. Die Wohnung nebenan steht leer; dort wird Geschäftsbesuch untergebracht. Blair sagt, wir könnten sie vielleicht für Freunde in Anspruch nehmen. Ihr könntet dort wohnen.«
»Alles zu seiner Zeit, Jen. Gewöhne du dich erst richtig ein. Deiner Mutter gegenüber würde ich es jetzt noch nicht zur Sprache bringen. Sie brennt natürlich darauf, euch zu besuchen. Und sind die Leute nett? Hast du schon Freunde gefunden?«
Jennifer war versucht, ihr von dem Überfall auf Rhonda zu erzählen, wollte Vi jedoch nicht beunruhigen. Sie unterhielten sich noch eine Weile, und Jennifer gab sich Mühe, das Inselleben optimistisch darzustellen, und sie erwähnte Gideon als einen der interessanten Menschen, die sie kennengelernt hatte.
»Und deine alten Freunde, hast du von ihnen gehört?«
»Nein. Die Kommunikation ist nicht so einfach. Aber sobald ich meinen Computer eingerichtet habe … Gleich rufe ich Trisha an«, sagte Jennifer mit schlechtem Gewissen, weil sie noch niemanden aus ihrem alten Leben, wie sie es nannte, kontaktiert hatte. Die Kellnerin brachte ihren Kaffee, als Jennifer sich von Vi verabschiedete, um dann Trisha, ihre beste Freundin an der Uni, anzurufen.
»Was ist los mit dir? Wir kommen um vor Neugier. Es ist sicher phantastisch?«
Jennifer entwarf ein Bild von tropischen Nächten unter dem Mond, tollen Aktivitäten, der schicken Ferienanlage, der interessanten Insel.
»Scheint ein Paradies zu sein. Triffst du dort auch Promis?«
Die Frage überrumpelte Jennifer. »Ein Fernseh-Typ war hier … er hat … O Gott, Trisha, er hat ein Mädchen zusammengeschlagen …« Die Worte platzten im Flüsterton aus ihr heraus, und sie war den Tränen nahe.
»Was? Was ist passiert? Wen hat er geschlagen? Wer?«
»Er war betrunken. Dieser Typ aus
Hier beginnt das Leben
, dieser Reality-Show, der Moderator …«
»Dougie Wilson? Willsy? Wundert mich nicht, er ist ein egoistischer Blödmann, wenn du mich fragst. War er nicht früher mal Boxer? Gott, wie geht es dem Mädchen?«
»Sie hatte Blutergüsse und blutete. Er hat sie nachts am Strand nicht weit von unserer Unterkunft überfallen, und sie konnte flüchten und kam zu uns.«
»Da hat sie offenbar noch Glück gehabt. Hat er sie vergewaltigt?«
»Nein, aber, Trisha, der Vorfall ist einfach vertuscht worden. Bitte, du darfst mit niemandem darüber sprechen …« Die Erleichterung, die sie spürte, nachdem sie das schmerzliche Geheimnis gelüftet hatte, wich der Sorge, dass die Sache ans Tageslicht kommen könnte.
»Natürlich nicht. Wer würde ihr die Geschichte auch glauben, wenn es keine Zeugen gibt? Aber Blair und du, ihr könntet ihre Aussage bestätigen. Ich sag’s dir, solche Typen denken, sie könnten mit den Frauen machen, was sie wollen«, sagte Trisha wütend.
»Rhonda will nicht, dass jemand davon erfährt. Blair war zu dem Zeitpunkt der verantwortliche Geschäftsführer und glaubt, es könnte schlechte Reklame für das Hotel sein.«
»Ja, sicher, aber, Scheiße, was ist mit dem armen Mädchen?«, fragte Trisha unverblümt, und als Jennifer nicht antwortete, weil sie wusste, dass es Blair in ein schlechtes Licht rücken würde, sagte Trisha: »Na ja, wenn so etwas auf einer Insel passiert, kann der Täter wenigstens nicht ohne weiteres abhauen. Es muss schrecklich für dich gewesen sein.«
»Ja. Aber Rhonda ist nach Irland zurückgekehrt, und er hat die Insel ebenfalls verlassen. Ich glaube, das
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