Die Korallentaucherin
und sie war zerkratzt und verschwitzt, als sie endlich einen freigelegten Pfad zwischen den kleinen Keulenbäumen fand. Das musste der Weg sein, der vom Zentrum des Inselchens hierherführte. Die kleine Insel war wirklich weitgehend unberührt. Sie sah einen Streifen blauen Wassers, und da sie so erhitzt war und ihr alles weh tat, beschloss sie, ein wenig zu planschen, nur knietief hineinzuwaten und sich abzukühlen, bevor sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Zelt machte.
Sie gelangte auf einen winzigen Sandstreifen mit großen Felsen an einem Ende. Hier war es schön. Und abgelegen. Sie trug nur ihren Badeanzug und den Hut. Dennoch hätte sie sich gern nackt ausgezogen, um sich im klaren Wasser treiben zu lassen, doch sie hatte zu große Angst. Der Sand war glühend heiß unter ihren bloßen Füßen, und sie hüpfte herum, bevor sie zum Wasser rannte.
Das fröhliche Lachen eines Mannes ertönte. Jennifer fuhr herum. Nahe einem der Felsbrocken saß ein Mann, die Füße im Wasser. Er winkte ihr zu.
Jennifer duckte sich und hockte sich ins seichte Wasser. Wer war er? Was trieb er hier? Wild begann sie, ihre Flucht zu planen, für den Fall, dass er sich als gefährlich erwies. Sollte sie wegrennen? Um die Landspitze herumschwimmen? Er würde in beiden Fällen schneller sein als sie. Um Hilfe rufen? Wer würde sie hören?
Sie beobachtete ihn noch ein Weilchen, doch er beachtete sie nicht. Dann erkannte sie, dass er ein Buch las. Wahrscheinlich war er einer von den Gästen, die Susie erwähnt hatte. Himmel, was Männer angeht, leide ich allmählich wohl unter Verfolgungswahn, sagte sie sich. Dank Willsy und dem Spanner Patch. Oder es lag an dem Gefühl, in der Falle zu sitzen, nicht entkommen zu können, weil sie auf einer Insel lebte. Das Riff, das Sooty und Branch umgab, war schlimmer als eine Gefängnismauer. Undurchdringlich, tödlich, von Monstern bewacht.
Jennifer schloss die Augen; das kühle Wasser tat ihren sonnenverbrannten Schultern und ihrem Rücken gut, das Salz brannte in ihren Schrammen und Schnittwunden. Sie lehnte sich zurück, saß im seichten Wasser, das ihre Beine bedeckte und bis an die Hüften reichte, und schloss erneut die Augen. Langsam flossen ihre Anspannung, ihr Zorn und der körperliche Schmerz aus ihr heraus und trieben auf den kleinen Kräuselwellen davon. Sie streckte sich aus, legte den Kopf auf den nassen Sand und ließ ihre Gedanken schweifen.
»Ist alles in Ordnung? Die Flut kommt.« Seine Stimme klang sanft, zurückhaltend.
Ruckartig setzte Jennifer sich auf. Sie hatte doch nicht etwa geschlafen? »Ja, sicher. Danke. Ich wollte mich nur abkühlen.« Sie kam umständlich auf die Füße.
»Aufs Erforschen dieser Gegend waren Sie nicht vorbereitet.« Er grinste und musterte ihre gerötete Haut, die frischen Kratzer und die bloßen Füße. Er reichte ihr eine Flasche mit Wasser. »Meine Ersatzflasche. Nehmen Sie nur.«
»Wirklich?« Jennifer stellte fest, dass sie völlig ausgedörrt war.
»Der Koch hat meinen Picknickkorb überladen. Ich habe mehr als genug. Wohnen Sie hier oder auf einem Boot?«
»Ich glaube, ich bleibe nur für einen Tag und eine Nacht. Wir wohnen auf Branch Island.« Dankbar trank sie das nicht ganz kalte, aber erfrischende Wasser.
»Da wohnen Sie? Das muss, hm, ziemlich anders sein als hier.« Er fing ihren Blick auf, und beide lachten.
Jennifer verschloss die Flasche; den Rest Wasser würde sie für den Heimweg brauchen. Ihre Angst war verflogen. Der Mann schien recht nett zu sein. Sie betrachtete ihn eingehender. Groß, irgendwie schlaksig, ein bisschen dünn, aber sehr braun. Seine Augen waren grün, er hatte ein warmes Lächeln, und im Kontrast zu seiner Sonnenbräune wirkten seine Zähne sehr weiß. Soweit sie es unter seinem ausgefransten Strohhut erkennen konnte, war sein Haar hellbraun. Dem Alter nach schien er Mitte bis Ende dreißig zu sein. Dann bemerkte sie die Narbe an seinem Arm, ein rosafarbener Strich über die Länge seines Bizeps. »Und Sie? Machen Sie hier Urlaub?«
»Gewissermaßen. Muss mich ein bisschen erholen. Und entspannen kann man sich hier nun wirklich. Wollen Sie zurück?« Er deutete auf die Korallenspitze. »Das ist riskant bei Flut, sie kommt sehr schnell herein. Außerdem können Sie ohne Schuhe nicht schnell laufen. Anscheinend war Ihr Besuch hier nicht geplant.«
»Stimmt«, gab Jennifer zu. »Sind Sie zu Fuß hergekommen?«
»Schon ein paarmal. Aber Susie hat zusätzlich zu dem Picknickkorb auch noch den
Weitere Kostenlose Bücher