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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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plötzlich Angst. Würde sie eine gute Mutter sein. Wäre Blair ein guter Vater?
    Tony nickte. »Familie. Eine Zukunft. Geborgenheit. Die Dinge, von denen meine Großeltern sprachen. Haben Sie Kinder?«
    »Wenn, dann hätte Blair den Job hier nicht bekommen. Sein Ziel ist ein großes Hotel in Europa.«
    »Das Leben wird also zunächst einmal auf Eis gelegt.« Er sah sie mitleidig an. »Beziehungen erfordern immer einen Austausch. Oder einen Kompromiss. Oder einer der Beteiligten geht.« Er blickte wieder aufs Meer. »Und gefällt Ihnen das Inselleben?«, fragte er. Es war eine höfliche Nachfrage, doch Jennifer spürte etwas in seiner Stimme. Hatte sie ihre Einstellung zu ihrer Anwesenheit durchschimmern lassen? Impulsiv schüttelte sie den Kopf.
    »Eigentlich nicht. Ich hasse das Meer. Ich habe einen Alptraum darüber, unter Wasser zu sein, der immer wiederkommt.«
    Jennifer fühlte sich, als wäre sie allein mit ihm auf einer verlassenen Insel. Als säßen sie während eines langen Flugs nebeneinander und tauschten in der Dunkelheit Geheimnisse und ihre Lebensgeschichten aus.
    Plötzlich platzte er heraus: »Seltsam, dass Sie das sagen, die Sache mit dem Krieg. Da hat sich kaum etwas verändert. In den letzten paar Jahren habe ich in Kriegsgebieten gearbeitet. Orte wie Afghanistan haben mich fertiggemacht.«
    »Sie waren beim Militär?«
    »Korrespondent. Vorwiegend für Zeitungen.«
    »Oh. Das muss schlimm gewesen sein.« Sie dachte an die erschöpften Gesichter, die sie im Fernsehen gesehen hatte, an den Tod von Journalisten und Journalistinnen. Das alles war ihr so weit weg und unnötig erschienen. »Das hier muss Ihnen wie eine andere Welt vorkommen. Und das ist es ja auch, nicht wahr?«, schloss sie matt. Tonys Mund wirkte verkniffen, der Schmerz war in seinen Augen zu lesen. Sie wünschte, sie wären nicht in so intime Sphären vorgedrungen. Es tat zu weh.
    Ruhig, im Plauderton, den Blick auf den Horizont gerichtet, wo er offenbar etwas anderes sah, sagte er: »Selbst hier höre ich die Bomben, das Feuer der Heckenschützen, Schreie. Auf diesem unberührten Strand sehe ich Leichen, Kinder …« Er rieb sich die Augen. »Entschuldigen Sie … Jetzt verstehen Sie wohl, warum ich die Menschen meide. Ich bin kein guter Gesellschafter.«
    »Wie lange ist es her? Ihre Rückkehr, meine ich?«, erkundigte sich Jennifer. Sie traute sich nicht, ihn nach seiner Familie zu fragen. Hatte er seines Berufs wegen seine Frau verlassen, auf Kinder verzichtet? Oder war er als gebrochener Mann zu ihnen zurückgekommen?
    »Achtzehn Monate.« Er lächelte schmal und stand auf, als um die Felsenspitze herum ein Boot auftauchte. »Man sagt, es würde mit der Zeit besser. Wenn ich wieder anfange zu arbeiten, komme ich vielleicht auf andere Gedanken.« Er hob seinen Korb, sein Handtuch und sein Buch auf und schritt den Strand hinunter auf das Boot zu.
    »Sie gehen zurück nach Übersee?« Jennifer blieb an seiner Seite.
    »Nein. Damit ist Schluss. Vielleicht arbeite ich freiberuflich. Vielleicht gebe ich einen Fotoband heraus. Landschaften, nicht Krieg.« Zum ersten Mal hörte sie eine Spur von Bitterkeit in seinem Tonfall.
    »Auf Branch lebt ein alter Strandräuber, eine Art Erfinder. Er hat mich aufgefordert, ins kalte Wasser zu springen und etwas zu tun, was ich noch nie getan habe. Und wovor ich Angst hatte«, sagte Jennifer.
    »Und wie haben Sie sich gefühlt?«
    Sie lächelte ihn an. »Ziemlich gut. Und dadurch habe ich nun Zutritt zu seinem äußerst exklusiven Haifisch-Club.«
    Tony half ihr in dem kleinen Ruderboot auf den Platz im Heck. »Ich mag Clubs nicht sonderlich. Aber was ist der Haifisch-Club?«
    »Eine Bude, von der die Touristen nichts wissen. Gestampfter Boden, kaltes Bier, Laternen und eine Menge interessanter Inselbewohner. Wissenschaftler und Seemänner.«
    Tony stellte den Korb zwischen Jennifers Füße. Der Junge, der auch als Barkeeper arbeitete, legte ab. »Könnte mir vorstellen, dass dort die eine oder andere Story wartet.«
    »Vergessen Sie nicht, um Mitglied zu werden, müssen Sie etwas tun, was Sie noch nie gewagt haben. In Ihrem Fall könnte das allerdings ein bisschen kompliziert werden«, sagte sie leichthin.
    Er lächelte und wirkte wieder ruhig und entspannt. »Ah, Sie würden sich vielleicht wundern. Es gibt eine Menge Dinge, die zu tun ich nie den Mut gehabt habe. Ich werde mal über den Haifisch-Club nachdenken.«
    Sie redeten erst wieder, als sie in der Lagune angelangt waren. Lautes

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