Die Korallentaucherin
ihm zu sprechen. Er nahm seinen Hut ab, setzte sich auf ein Sofa, hörte geduldig die Berichte über die Funde des Vormittags an, verteilte Ratschläge zu den Proben und notierte die nächsten Schritte.
»Hi, Jennifer, bist du zur Chefköchin eingeteilt worden?«, fragte Carmel. »Kann ich helfen?«
»Ja. Ich habe keine Ahnung, wo ich was finde, was überhaupt vorrätig ist«, sagte Jennifer.
Carmel zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Was im Kühlschrank oder in diesem Schrank ist? Ha, Eier, Chilisoße, Brot, gebackene Bohnen, Hühnchen von gestern Abend, ein bisschen Obst. Honig. Das ist doch reichlich, oder?«
»Falls man Hunger hat.« Jennifer lachte. »Und ich habe Hunger.«
»Dann mal los«, sagte Rudi, der mit einem Stapel Papiere in den Raum kam. »Ich muss meine Tanks kontrollieren. Ich wasche dann ab«, bot er an.
Plötzlich setzte geordnetes Chaos ein. Teller tauchten auf, hilfreiche Hände bereiteten Toast, Tee und Kaffee, schnitten Papayas in Schüsseln und beträufelten sie mit Zitronensaft. Alle redeten über ihre Projekte, ihre Pläne und ihr Arbeitspensum. Jennifer fühlte sich wohl und entspannt. Rudi pflückte ein paar Jasminblüten und verstreute sie auf dem im Hof gedeckten Tisch.
»Sehr hübsch, Rudi«, sagte Mac und setzte sich. Er hatte geduscht und sich umgezogen. Das nasse Haar war zurückgekämmt, der Pferdeschwanz hing glatt in den Nacken. Er saß am Kopfende des Tisches, und die anderen gruppierten sich links und rechts von ihm. Als die Teller mit den Gerichten auf den Tisch gestellt wurden, wies er Jennifer an, sich neben ihn zu setzen. Trotz seiner freundlichen, lässigen Art strahlte er eine ruhige Autorität aus.
Jennifer folgte schweigend dem regen Austausch über die einzelnen Projekte und Interessen. Sie erkannte, dass Mac das Gespräch geschickt zwanglos hielt, und trotzdem war jeder Einzelne sich der Details der Forschungsarbeit der anderen bewusst, die von Problemen über kleine Pannen bis zu Glückstreffern oder erfreulichen Ergebnissen reichten. Sie wünschte sich, Blair könnte auch so subtil und sensibel sein, wenn er Teamgeist und gegenseitige Hilfe fördern wollte. Allerdings übte Mac dieses Amt schon lange Zeit aus. Carmel hatte ihr erzählt, dass er Gitarre spielte und sang, mit ihnen feierte und trank, immer locker blieb und nie den Vorgesetzten herauskehrte. Doch alle hatten mächtig Respekt vor ihm, und Jennifer spürte, dass man sich mit privaten oder beruflichen Kümmernissen jederzeit an ihn wenden konnte.
Mit gesenktem Kopf verspeiste sie die scharf gewürzten Eier und Bohnen, und als sie sich noch eine Scheibe Toast nehmen wollte, sah sie, dass Mac sie mit einem leisen Lächeln musterte.
Er reichte ihr den Toast und schob ihr den Gemüseaufstrich zu. »Versuch mal etwas Traditionelleres. Carmels Gerichte sind als üppige Latino-Köstlichkeiten bekannt. Letztes Jahr hatten wir einen Schweden, der alles sauer eingelegt hat.«
»Danke. Mir gefällt’s.«
»Das Essen oder die Gesellschaft?«, fragte er sanft.
Jennifer legte ihr Messer nieder. »Die Gesellschaft, muss ich sagen. Danke für die Einladung. Und wenn ich mich noch ein bisschen in den Labors umschauen und sehen dürfte, woran die Leute arbeiten, würde es mich freuen wie nichts anderes seit meiner Ankunft hier.«
»Hm. Dann solltest du uns regelmäßig besuchen. Bist du da drüben schon fertig eingerichtet?« Er wies mit einer Kopfbewegung in Richtung Hotel.
»Ich fühle mich schon seit Jahren nicht mehr eingerichtet«, sagte Jennifer plötzlich. »Ich meine, in dem Sinne, dass ich Freiraum für mich habe.«
Wenngleich niemand am Tisch der Unterhaltung folgte, unterbrach Jennifer sich doch verlegen. Ihr ging auf, dass sie sich zum letzten Mal richtig wohl und an ihrem Platz gefühlt hatte, das heißt, in einer Umgebung, die ihr allein gehörte, als sie noch ihr Zimmer auf der alten Farm hatte.
»Und wie hättest du deinen eigenen Freiraum jetzt gern?«, drang Mac weiter in sie. Er forschte mit ruhigem Blick in ihrem Gesicht.
»Oh, ich habe ganz bescheidene Bedürfnisse«, antwortete sie leichthin. »Ein Schreibtisch, eine stilles Plätzchen, wo ich meinen Laptop und den anderen Kram aufstellen und stehen lassen kann. Rosie meint, sie könnte vielleicht eine Ecke in einem Büro für mich finden. Ich muss wirklich wieder anfangen zu arbeiten. Ich habe alles schleifen lassen, es ist schrecklich. Früher habe ich nie einen Termin nicht eingehalten. Professor Dawn ist wahrscheinlich
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