Die Korallentaucherin
stinksauer.«
»Arbeite doch hier, das wäre viel besser für dich. Ich sehe mich mal um, ob ich ein stilles Plätzchen für dich finde.«
»Ich möchte niemandem lästig sein. Platz ist hier schließlich auch Mangelware. Du arbeitest am Esstisch, um Himmels willen!« Jennifer wünschte sich, nichts gesagt zu haben.
»Ah, ich genieße die Gesellschaft«, sagte Mac und grinste. »Wirklich, ich bin gern ständig erreichbar. Und bei dem, was wir unsere Küchenkonferenzen nennen, kommt häufig durchaus Brauchbares heraus. Den Rest des Jahres verbringe ich in meinem Arbeitszimmer, meinem Büro in der Uni, mit Vorlesungen. Fern von der praktischen Arbeit und der … Intimität, wenn ich das Wort benutzen darf, ohne missverstanden zu werden.« Er stand auf. »Nimm deinen Toast mit, ich biete dir jetzt eine Führung.« Den anderen am Tisch winkte er zu. »Ich führe Jennifer ein bisschen in unsere Arbeit ein. Rudi, wir sehen uns später im Labor. Dann setzen wir die Korallenkolonien um.«
Die beiden Labors wirkten behelfsmäßig, waren aber mit allem ausgestattet, was zur Arbeit erforderlich war. Die langgestreckten Räume aus Zementsteinen waren klimatisiert, gut beleuchtet und mit Tischen und Bänken ausgestattet. Auf dem Boden standen provisorische große Tanks, über die Länge einer Wand erstreckte sich ein Aquarium, in dem ein Stück Riff ausgestellt war. Die Temperatur unterlag ständiger Kontrolle, alles war gut beleuchtet. Jennifer hätte Stunden damit zubringen können, die lebhaften kleinen Fische, das Seegras und die merkwürdigen weichen Schwämme zu betrachten, die aussahen wie leuchtend bunte Schnecken.
Mac zeigte ihr, wie neue Daten dem umfassenden Informationssystem hinzugefügt wurden, um sie dann zu analysieren. Vergleichsstudien und Tests folgten später.
»Jennifer, ich weiß, da draußen gibt es Menschen wie deine Mutter, die das alles für Spielerei halten und sich fragen, warum wir nicht lieber die Armen speisen, den Krebs besiegen oder Kriege beenden.« Mac setzte sich auf einen Hocker vor dem Arbeitstisch. »Wir stammen aus dem Wasser. Zahlreiche Wissenschaftler betrachten das Meer als die Wiege allen Lebens und glauben, dass Antworten auf die Fragen nach der Entstehung des Planeten auf dem Meeresboden liegen. Und dass vor etwa vier Milliarden Jahren Energie aus dem Zentrum der Erde damit begann, Leben zu schaffen.«
»Wie? In welcher Form?«, fragte Jennifer.
»Wasser ist eine außergewöhnliche Substanz. Wassermoleküle trugen dazu bei, immer mehr Proteine miteinander zu verbinden, so dass DNA entstand, die komplexe chemische Zellformation, die den Grundstein des Lebens darstellt. Als Lebensformen dann aus dem Wasser ans Land gingen, hatten sie Wasser in ihren Zellen, wie wir auch.«
»Aber wie wird die Erforschung einer Theorie von Evolution und Schöpfung auf das angewendet, was ihr heute bearbeitet?« Jennifers Interesse war geweckt.
»Entschuldige, dass ich dich mit einer Vorlesung langweile …«
»Oh, das ist ganz und gar nicht langweilig«, rief Jennifer.
»Um über den Zustand des Riffs informieren zu können, benötigen wir die Medien, und da stoßen wir auf eine Mauer des Schweigens. In den Achtzigern und auch noch in den Neunzigern mit dem Dornenkronenseestern war es ein heißes Thema, aber heute will niemand mehr wissen, was wirklich los ist. Nach dem Motto: Das hatten wir schon.« Mac seufzte. »Und noch eine andere Sache: Wir wissen nicht, was da unten am Meeresboden los ist. Wir wissen mehr darüber, wie der Mond beschaffen ist, als über den Boden der Weltmeere. Und, offen gesagt, wir dürfen das Meer nicht länger als Müllhalde missbrauchen und allen möglichen Mist hineinschütten. Dort unten gibt es Dinge, die es nicht nur wert sind, entdeckt und beschützt zu werden, sondern die vielleicht Antworten auf die Frage nach unserer eigenen Zukunft enthalten.« Er stand auf. »Ende der Vorlesung … Im Augenblick zumindest.«
»Mac, das interessiert mich wirklich. Ich kann es nicht erklären, aber ich habe das Gefühl, dass die Welt kopf steht. Als wäre das Meer oben, als lebten wir in einem Abgrund …« Ein Bild aus ihrem Traum schoss ihr durch den Kopf, und sie schloss die Augen.
»Was ist los? Alles in Ordnung, Jennifer?«, fragte er weich.
Sie öffnete die Augen, in denen Tränen standen. »Ich bin einmal fast ertrunken, und ich weiß noch, wie ich unter Wasser war, als gehörte ich dahin. Als könnte ich dort
leben
. … Deshalb habe ich solche Angst vor
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