Die Kornmuhme (German Edition)
Also eine Art Krug? Und da kommst du zu mir?
<<
Thoralf und Andalf sahen sich an
und lachten.
>> Nein<<, erwiderte
Irrgrim, >> ganz so einfach ist es nicht. Sie ist, wie soll ich es sagen
... ich trage sie an mir, an meiner Brust. Und dort darf sie keinen Schaden
nehmen, denn ich könnte sie im Schlaf erdrücken. <<
Mit diesen Worten streifte er die
Kapuze vom Kopf, öffnete seinen Umhang, löste die Knöpfe seines Hemdes und
entblößte seine Brust.
Thoralf und Andalf entfuhr ein
entsetztes Stöhnen. Die Blume war mit Irrgrims Brustkorb inzwischen geradezu
verwachsen und pulsierte schwach blau im Takt seines Herzens. Seine Haut schien
zu glühen. An anderen Stellen wiederum war sie von Blutergüssen übersät. Dort
wo die Wurzeln seine Haut durchdrungen hatten, waren blutige Krusten
entstanden. Die Kordeln, mit denen Irrgrim versucht hatte, der magischen
Pflanze Halt zu geben, waren blutgetränkt und hatten der Haut noch mehr Anlass
gegeben, sich zu entzünden. Vor allem aber an den Stellen, an denen die Wurzeln
seinen Körper umklammerten, war die Haut verletzt und zeigte tiefe Striemen, so
als hätten Peitschenhiebe hässliche Wunden gerissen.
Die beiden blickten sich alarmiert
an. Irrgrims ausgemergeltes Gesicht, sein wirrer Blick und das verwachsene
magische Kraut auf seiner Brust, das alles erschreckte Toralf und Andalf zutiefst.
Toralfs Instinkt meldete sich schlagartig und löste in ihm den starken Drang
aus, wegzurennen. Er beherrschte sich jedoch und taumelte nur ein paar Schritte
rückwärts. Dann blieb er wieder stehen. Er war sich sicher einen vollkommen
Wahnsinnigen vor sich zu haben.
>> Nein,…das tut uns sehr
leid, so… etwas können wir gar nicht<<, stammelte Andalf.
>> Ja ja! Sowas können wir
nicht! <<, pflichtete ihm Thoralf schnell bei und nickte eifrig mit dem
Kopf.
>>Sie werden dich verraten!
<<, flüsterte es plötzlich in Irrgrims Kopf.
Angst kroch in ihm hoch, und ein
furchtbares Bild stieg in ihm auf, so als könnte er in die Zukunft blicken. Die
Schmiede würden die Wachen des Königs holen, sobald er ging, und die würden ihn
suchen, bis sie ihn gefunden hätten. Sich mit dieser Art der Magie zu
verbinden, war einem Zwerg nicht gestattet. Sie würden ihn in ein Verließ
werfen, so wie sie es schon einmal getan hatten. Aber diesmal würde es
schlimmer sein. Diesmal würden Sie ihm die Blume vom Leib reißen. Täten sie dies,
so wäre das fürchterlicher als jeder Tod und jede Folter.
>>Du musst es selber
tun<<, hörte er sie wieder in sich flüstern.
Er selber? Ein Gefäß schmieden? Er
hatte so etwas nie gelernt. Er war doch ein Versager auf der ganzen Linie.
>>Du kannst das! <<,
hörte er sie wieder, nun eindringlicher in seinem Kopf zischen, und wieder
erschien ein Bild in seinem Kopf, das ihn kurz erschauern ließ.
Obwohl Toralfs und Andalfs
kräftige Körper bis zur Gänze gespannt, und ihre Sinne geschärft waren, konnten
sie nicht schnell genug auf die magische Geschwindigkeit reagieren, mit der
Irrgrim angriff. Er hatte den schweren Schmiedehammer ergriffen, dann
blitzartig ein paar Sätze auf Toralf zu gemacht, um dann mit aller Wucht auf
seinen Kopf einzuschlagen. Dieser brach sofort tot zusammen. Andalf sprang mit
wildem Geschrei auf den Angreifer zu, doch auch er konnte nichts gegen Irrgrims
übermächtige Schnelligkeit und Kraft tun, die von der nun heftig pulsierenden
Blume auf seiner Brust in ihn hinein und durch jedes seiner Glieder strömte.
Auch Andalf fiel tödlich getroffen zu Boden. Das Blut der beiden floss in breiten
Strömen in den Kamin und verdampfte dort zischend.
11
Ranja hatte nicht bemerkt, wie
viel Zeit vergangen war. Ihr Bewusstsein hatte für viele Stunden einfach
ausgesetzt. Noch immer saß sie völlig regungslos an ihrem Platz und starrte auf
die groteske Silhouette ihrer Eltern. Wie zwei Statuen, eng umschlungen, grau
und ohne jedes Leben, ragten sie vor Ranja in der Dunkelheit auf. Die Schwärze,
die in die Stube geflossen war, hatte alles Leben aus ihnen gesaugt, ja sogar
die Wärme und das Licht des Feuers hatte sie mitgenommen. Die Haut ihrer Eltern
war aschfahl geworden und dünn wie Pergament. Nur noch etwas Glut erhellte die
grauenvolle Szenerie. Sie saßen da, immer noch eng umschlungen, doch tot. Ranja
zitterte am ganzen Leib und ihr flacher Atem ließ kleine, graue Wölkchen vor
ihrem Gesicht entstehen.
Immer noch war es ihr nicht
möglich, sich zu bewegen, genauso wenig wie etwas zu fühlen. Entsetzen
Weitere Kostenlose Bücher