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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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gesprochen, deren Besitzer er
sich nie leibhaftig zu sehen gewünscht hätte. Er öffnete einen Spalt breit
seine Augen. Zunächst sah er nur bizarre Schatten, bis er begriff, dass es die
Decke des Turms war, die er anstarrte. Die kleine, erleuchtete Dachluke verriet
ihm, dass die Sonne gerade aufging. Alles drehte sich um ihn, und ein immer
stärker anschwellender Schmerz machte ihm blitzartig klar, wie schwer verbrannt
sein Körper war. Irgendwann wurde es so quälend, dass es ihm fast seine Sinne
raubte. Mit der ganzen Kraft seines Geistes stemmte er sich gegen den Schmerz.
    Er musste die ganze Nacht hier
gelegen haben. Stöhnend drehte er den Kopf in die Richtung aus der er die
Stimmen und das helle Klackern vernahm. Er blinzelte und erkannte zwei dunkle
Gestalten, die in flatternde Gewänder gehüllt, vornübergebeugt in ein Spiel
vertieft waren. Sie waren transparent, fast durchsichtig. Doch das milderte
ihren verstörenden Anblick nicht. Aus unerfindlichen Gründen wusste Irrgrim
ganz sicher, dass es der Tod war, der da vor ihm hockte und mit einem Geschöpf
um seine Seele spielte, das so grausam anzusehen war, dass sich seine Augen
gegen diesen Anblick wehrten.
    Was war das nur, was dort drüben
in Frauengestalt geifernd und zischend die Hammelknöchel in seine Krallen nahm,
sie in der hohlen Faust eifrig schüttelte, um sie dann auf dem steinernen Boden
warf? Irrgrim kannte das Knöchelspiel von früher, als er es noch mit seinen
Brüdern gespielt hatte. Die Erinnerung daran kam ihm vor wie der Blick in ein
fremdes Leben, das nichts mit seinem eigenen zu tun hatte.
    Dieses Spiel jedoch war anders,
hatte andere, ihm unbekannte Regel. Sie waren magischer Natur, denn hier
hüpften die Knochen nicht nur nebeneinander, sondern auch übereinander,
bildeten menschliche oder tierische Figuren oder bizarre Muster auf dem Boden.
Die Grausame sagte etwas Unverständliches und gab die Knochen weiter an die
schemenhafte Figur des Gevatter Tod. Zu seinem Schrecken erkannte er die
Klangfarbe der Stimme seiner Blume in diesem hässlichen Krächzen. Sie war ihm
immer so lieblich vorgekommen, doch nun hörte sie sich widerlich und
gewalttätig an.
    Und als die hässliche Gestalt den
Kopf hob und ihn anblickte, flüsterte es triumphierend in seinem Kopf:
>>Ich bin‘s die Ursul. Ich spiele um dich und ich gewinne! <<
    Blitzartig sah er Momente aus dem
Leben der Hexe aufblitzen, begriff nun, dass er einer Magischen den Eintritt in
sein Herz gewährt hatte, und dass er des Wahnsinns sein würde, wenn sie den Tod
besiegte. Ein stechender, unfassbar größerer und lustvollerer Schmerz
explodierte nun jedoch auf einmal in seiner Brust und floss von dort aus in
heißen Wogen in all seine Glieder, so dass die unaussprechliche Pein, die seine
verbrannte Haut verursachte, dagegen völlig zu verblassen schien. Gleichzeitig
heilten mit jedem Spielzug, den die Hexe gewann, seine Wunden zu hässlichem
Narbengewebe.
    Der Gevatter nahm ein letztes Mal
die Steine, schüttelte sie nun wieder zwischen seinen dürren Fingern und warf
sie dann gegen die Wand über Irrgrims Kopf. Sie sprangen zurück und kullerten
vor Irrgrims Gesicht, der mit wirrem, verzerrtem Blick auf die Knochen starrte.
    Der Tod gab einen verärgerten Laut
von sich, als sein Spielzug abermals scheiterte. Ursul schrie triumphierend auf
und Irrgrims Geist erlosch. Ein krächzendes Lachen entrann seiner Kehle, doch
es war nicht mehr seine Stimme. Es war die Stimme der Ursul, deren Körper weit
entfernt im Irminsul in diesem Moment starb… Irrsul war geboren!
     
     

28
     
    Sonnwin kniff die Augen zusammen
als er an die Oberfläche kletterte. Einen Moment lang blieb er im Schutz einer
großen Wurzel der steinalten Eiche stehen, unter der sich der Eingang in die
Höhlen darunter verbarg.
    Ihn beschlich Furcht. Ja, er hatte
immer unter diesem Baum gelegen und alles war ihm vertraut. Allerdings hatte er
schon Ewigkeiten nicht mehr einen Umkreis von 20 Fuß um den Baum herum
verlassen. Weiter hatte er sich schon lange nicht mehr in den Wald hinein
gewagt.
    Er war ruhiger geworden in den
letzten Jahren - besonnener. Was auch immer seine Leute dachten, was er hier
oben an den langen Nachmittagen angeblich getan hatte… er hatte es nicht getan!
Er war zwar nie ein Aufschneider gewesen, hatte nie etwas behauptet, was nicht
gestimmt hätte, aber er hatte bewusst diverse Vermutungen mit einem
geheimnisvollen Lächeln quittiert, um die Fantasie der Anderen spielen zu
lassen. Auch wenn

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