Die Kornmuhme (German Edition)
einem Zwerg verflucht
werden, dachte Aron und ihm schauderte.
Seine Mutter hatte ihm geraten,
einem Zwerg immer mit Respekt zu begegnen, falls er mal einen traf, und dann am
besten möglichst schnell das Weite zu suchen, wenn einer des Weges gelaufen
kam, da sie sich schnell ärgerten. Sie hatte ihm damals öfter mal eine
Geschichte erzählt, von einem Bauern, der einen Zwerg verärgert hatte. Dieser
war dann nachts zum Haus des Bauern geschlichen und hatte zum Haus gesprochen:
>> Ich verfluche dieses Haus
und alle die drin gehen ein und aus. <<
Aron hatte diese Geschichte damals
tief beeindruckt, und so sah er klopfenden Herzens zu, wie Sonnwin bedächtig
das Haus umschritt. An jeder Ecke blieb er stehen, um in die Steine zu
flüstern, besonders lange an der Hauswand, die gen Norden zeigte. Gleichzeitig
streute er eine feine Linie aus Salz hinter sich her, und Aron glaubte geradezu
zu spüren, wie sich unsichtbare Schichten des Hasses um die Wirtschaft legten.
Er wartete bis der Zwerg sich beruhigt hatte. Sein Stolz war so gekränkt, dass
es eine halbe Ewigkeit dauerte, bis Sonnwin sein Rachehandwerk beendet hatte.
Dann gingen sie los.
Ein Jahr später fand man Hagen tot
hinter seiner Theke auf. Finger und Zehen waren ihm abgestorben vom
Hahnensporn, dem Pilz, der sein Mehl befallen hatte. Wie oft er auch immer
wieder aufs Neue den Bauern Fleisch und Getreide abkaufte, seit Sonnwins Besuch
verdarb alles binnen weniger Tage in seiner Speisekammer. Im Dorf ging bald
herum, dass die Wirtschaft verflucht sein musste – die alten Frauen verstanden
sich schließlich auf so etwas. Die Gäste blieben aus, und alle machten zudem
einen großen Bogen um den Wirt. So aß und soff sich der inzwischen
sterbenskranke Hagen von seinen letzten Metvorräten und seinen verdorbenen
Speisen in aller Einsamkeit zu Tode.
36
Es war Mittag und Ranja stand in
der Küche ihrer Tante. Der irdene Zwiebeltopf stand vor ihr auf der Anrichte
und sie rang mit sich. Wollte sie wissen, was in diesem Zimmer war? Ihre Tante
war vielleicht nur verrückt, doch wenn sie verhext war, dann musste sie es
wissen, denn dann war auch sie selbst hier nicht mehr sicher.
Ängstlich machte sie ein paar
Schritte auf den Topf zu und hob den Deckel. Sie steckte die Hand in das Gefäß
und tastet die Zwiebeln nach dem Schlüssel ab, den sie am Tag zuvor gespürt
hatte, und von dem sie glaubte, dass er zum verbotenen Zimmer gehörte. Gerade
war sie mit den Fingern auf dem Boden des Gefäßes gelangt, als sie sich von
einer Hand gepackt fühlte. Sie schrie und zog ihren Arm blitzartig zurück. Der
Holzdeckel entglitt ihr und fiel mit einem lauten Scheppern zu Boden.
Erschreckt rannte sie zu ihrem Zimmer, und blieb dann wie angewurzelt stehen,
als sie schon im Flur das leise, regelmäßige Quietschen eines Spinnrades
vernahm.
Sie schlich leise näher, und als
sie durch die angelehnte Tür ihres Zimmers hindurchlugte, sah sie die Tante
tatsächlich mit einem Spinnrad vor dem Kopfende von Ranjas Bett sitzen. Sie
saß mit dem Rücken der Türe zugewandt, und im Bett vor ihr sah Ranja jemanden
liegen. Beim Näherkommen erkannte sie mit heißem Schrecken, dass sie es selbst
war, die sie dort mit blassem, unglücklichem Gesicht schlafen sah.
Mara schien Ranja nicht zu hören,
da sie ja fast taub war, und so wagte es Ranja mit zittrigen Knien, noch näher
zu kommen und ihr über die Schulter zu schauen. Sie sah, wie ihre Tante so
etwas wie graue Wolle aus der Schläfe ihres schlafenden Ebenbildes herauszog,
und zwischen ihren Fingern zu einem Faden spann. Ein bisschen wie Nebel sah
diese Wolle aus, und von den Fasern schien ein leises Wispern auszugehen. Mara
wickelte die gesponnenen Fäden auf eine Spule. Dann drehte sie sich plötzlich
um und sah Ranja mit leeren Augen an.
Keuchend erwachte Ranja in ihrem
Bett. Ihr Herz raste und ihr Atem ging schnell. >>Nur ein
Albtraum<<, sagte sie sich immer und immer wieder, bis sie sich endlich
beruhigt hatte. Zunächst fiel es ihr schwer, sich zu orientieren. Die Sonne
schien hier und da durch die Ritzen der geschlossenen Läden, ansonsten war es
finster in ihrer Kammer. Langsam erinnerte sie sich wieder daran, dass sie sich
mittags hingelegt hatte. Sie war in der Frühe aufgestanden und hatte die Tiere
versorgt. Dann war sie ins Dorf gelaufen und hatte bei Ansgar ein paar Pfund
Winteräpfel gegen Fleisch und Milch eingetauscht. Der Weg an ihrem alten Haus
vorbei, und der Kontakt zu den Anderen hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher