Die Kreuzfahrerin
haben. Prüfend sah sie Ludger an, der lächelte aber nur verhalten und drehte sich gleich von ihr weg. Schon bald verkrochen sich alle unter ihre Decken und Felle. Die anhaltende Dunkelheit und der stehende Rauch machten müde, und liegend in Bodennähe ging das Atmen leichter. Ursula lag zusammengekauert auf ihrem Lager, in jeder Hand eine Holzfigur, und hatte Ludgers Gesicht vor Augen. Um sie herum waren einzig die Atemgeräusche der anderen zu hören. Der Schnee deckte alles zu und ließ den Wind lediglich durch die Spalten der Haustür herein, von wo er direkt in die Glut des Herdfeuers fuhr und dem heißen Sog folgend zum Dach wieder nach draußen entwich. Die eine oder andere Bö schlug die Tür gegen den Riegel, ab und an pfiff die Luft durch einen engen Spalt zwischen Tür und Rahmen. Ursula wusste, wenn Ludger sich den Bart hin und wieder ein Stückweit kürzte, und die Haare gewaschen, glattgekämmt sein Gesicht umrahmten, war er ein schmucker, junger Mann, dem so manches Weibsbild hinterhersehen mochte. Ihre Angst und ihr Groll gegen ihn waren in den letzten Wochen merklich geschmolzen. Sanft streichelte sie das Bärchen und wünschte sich ihn immer so sanft und wohlgesonnen wie in letzter Zeit. Seine Frau zu sein wäre sicherlich gut. Wenn das mein Weg ist, dann sollte ich ihn gehen.
In dieser Nacht beschloss Ursula mit dem Engel in der einen und dem Bären in der anderen Hand: „Ich werde Bäuerin.“ Dann schlief sie ein und träumte von einem sonnigen Frühling.
Esters Husten weckte sie sehr früh am Morgen. Zunächst blieb sie liegen, lauschte in die Dunkelheit, ob sich die Atemnot der Alten wieder legen würde. Doch das Husten, Röcheln und Pfeifen nahm kein Ende. Sie schlüpfte unter ihrer Decke hervor und tastete sich im Dunkeln voran. Rauch biss ihr in die Nase und ließ die im Dunkel weit aufgerissenen Augen tränen. Sie befand sich längst in der großen Stube, konnte die Glut des Herdfeuers aber immer noch nicht sehen. Vorsichtig tastete sie sich mit den Füßen weiter, und erst als sie bereits mit ihren Zehen gegen die steinerne Umrandung des Herds stieß, sah sie wie durch dichten Nebel das Glimmen. Jetzt musste auch sie husten. Zuviel Rauch, schoss es ihr durch den Kopf, und sie tapste weiter Richtung Tür. Ohne etwas sehen zu können, stieß sie gegen die eiskalten Bretter und spürte den Schnee auf ihre vorgestreckte Hand rieseln. Sie griff nach dem Riegel und wollte die Tür einen Spalt weit öffnen, doch sie rührte sich nicht. Mit beiden Armen stemmte sie sich gegen die Bretter. Schnee rieselte ihr über die Arme und den Kopf. Noch immer war kein Hauch zu spüren. Mit aller Kraft warf sie sich gegen die Türe. Sie gab nach, und ein eiskalter Schauer aus Schnee fiel auf sie herab. Aber da spürte sie die Luft an sich vorbei in die Wärme des Hauses ziehen. Sie drehte sich um und sah das Herdfeuer aufflackern. Sie fühlte den Luftzug über ihre nackten Füße fahren und atmete auf. Ester hustete noch immer. Ursula legte zwei Scheite auf das Feuer, hängte einen Kessel mit Wasser darüber und schlich zu Ester. Die Alte saß aufrecht im Bett und konnte kaum noch Luft holen, so stark war der Hustenreiz. In der warmen, rauchgeschwängerten Luft der Kammer hatte selbst Ursula Mühe zu atmen. „Komm“, flüsterte sie der Alten zu, half ihr vom Lager und führte sie in die Decke gewickelt zur Tür. Im Schein der Flammen griff sie sich einen Stuhl, stellte ihn neben die Türe und setzte Ester darauf. Dann wickelte sie ihr die Beine in ihre eigene Decke. „Hol langsam und tief Luft.“ Ester hustete nach wie vor, aber der Reiz schien schwächer zu werden. Während sie nach und nach immer tiefer atmen konnte, ohne gleich wieder husten zu müssen, kümmerte sich Ursula um einen Kräuteraufguss. Sie nahm vor allem Thymian und etwas Salbei, so wie es ihr die Alte beigebracht hatte. Zum einen den festsitzenden Schleim zu lösen und zum anderen die Reizung im Hals zu besänftigen. Als Ester die ersten Schlucke des heißen Getränks geschlürft hatte, ging es ihr sichtlich besser. Mittlerweile erwachten nach und nach auch die restlichen Hausbewohner. Ingrid wollte zuerst über die offene Tür schimpfen, doch eine Handbewegung Esters deutete ihr zu schweigen. „Das Mädchen hat uns alle davor bewahrt, im Rauch zu ersticken.“ Mit diesen Worten klärte der Bauer selbst die Situation, nachdem er an die Tür getreten und vorsichtig nach draußen geschaut hatte. „Nein, es war Esters Husten, der
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