Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
hatte ein Mann derart widersprüchliche Empfindungen in ihr ausgelöst. Doch dann fiel ihr der arme Roban ein, dem seine Liebenswürdigkeit zum Verhängnis geworden war. Nein, nicht einen Gedanken durfte sie an diesen Wallatten verschwenden. Sie würde ihre Gefühle schon wieder in den Griff bekommen!
»Warum habt Ihr bei uns herumgeschnüffelt?«, fragte Nolan mit unverhohlenem Misstrauen. »Was hattet Ihr gestern vor unserem Haus zu suchen?«
»Habe ich mich etwa versteckt?«, fragte der andere zurück. »Ich wollte Eure Mutter Emaz Lana sprechen. Eure Dienstboten hätten mich sicher nicht eingelassen, also beschloss ich zu warten.«
Wieder wechselten die Geschwister einen verblüfften Blick.
»Unsere Mutter? Warum denn das?«, fragte Nolan.
»Ich soll ihr eine Botschaft überbringen. Von Königin Chebree.«
»Und worum geht es?«, mischte sich Eryne ein. »Kennen unsere Eltern sie überhaupt?«
Der Wallatte zog ein seltsames Gesicht, das sie nicht zu deuten vermochte.
»In der Schlacht am Blumenberg haben sie gegeneinander gekämpft«, erklärte er ohne Umschweife. »Eure Mutter hat das Leben der meinen verschont. Sie ließ zu, dass Chebree aus dem Feldlager unseres Heers fliehen konnte, bevor dort ein Blutbad ausbrach.«
Eryne und Nolan rissen die Augen auf. Diese Geschichte hörten sie zum ersten Mal – aber ihre Eltern erzählten ja auch kaum etwas von früher.
»Sie haben sich seither nie wiedergesehen«, fuhr der Prinz fort. »Aber ob Ihr es glaubt oder nicht, eine Wallattenkönigin hat Ehrgefühl. Meine Mutter war immer der Meinung, in Emaz Lanas Schuld zu stehen. Jetzt hat sie die Gelegenheit, ihr zu danken.«
»Und wie will sie das tun?«, fragte Eryne prompt. »Weiß sie etwas über das Verschwinden unserer Eltern?«
»Eryne, sei still«, fuhr Nolan dazwischen.
»Ich weiß schon Bescheid«, knurrte der Krieger. »Gestern Nacht habt Ihr mir ein paar Männer auf den Hals gehetzt, die den Schmerzen nicht lange widerstehen konnten. Sie haben mir alles berichtet, was ich wissen wollte.«
Als er die Folter erwähnte, machte er ein zufriedenes Gesicht, was die Sympathie, die Eryne für ihn hegte, vorerst zunichtemachte. So hatte er sie also in Robans Schloss gefunden: Er hatte die Grauen Legionäre einem Verhör unterzogen.
»Und die Männer … Was … Habt Ihr sie etwa getötet?«
Der Krieger schwieg und bestätigte damit Erynes Befürchtung. Der Kerl war ein Wilder, ein kaltblütiger Mörder, der sich mit der grausamen Waffe in der Hand seiner Untaten brüstete.
Aber was wäre ohne ihn aus ihr und ihrem kleinen Bruder geworden?
»Ihr wisst also, dass unsere Eltern verschwunden sind«, sagte Nolan. »Deshalb könnt Ihr Eure Botschaft schwerlich der eigentlichen Empfängerin überbringen. Sagt also uns, wie die Nachricht lautet. Sollte sie uns in irgendeiner Weise von Nutzen sein, ist der Wunsch Eurer Mutter erfüllt, und Ihr könnt ruhigen Gewissens nach Wallos zurückkehren.«
Der Krieger schüttelte grinsend den Kopf, wobei ihm die langen Haare ins Gesicht fielen. »Nichts lieber als das! Das Dumme ist nur, dass ich keine Ahnung habe, was meine Mutter ihr sagen will. Sie hat mich nur gebeten, Emaz Lana nach Goran zu bringen.«
»Was?«, rief Eryne entgeistert. »Aber sie wäre doch niemals einfach so mitgekommen, ohne jeden Grund!«
»Die Königin der Wallatten scheint da anderer Ansicht zu sein«, erwiderte der Prinz. »Ich habe gelernt, ihre Befehle widerspruchslos auszuführen. Ich werde den Auftrag erfüllen, den sie mir erteilt hat.«
»Habt Ihr es immer noch nicht begriffen? Unsere Mutter ist verschwunden!«, rief Nolan.
»Dann werde ich Euch eben helfen, sie wiederzufinden. Ich vermute, Ihr könntet etwas tatkräftige Unterstützung ganz gut gebrauchen. Eure Feinde sind zwar miserable Kämpfer, aber sie scheinen zahlreich und mächtig zu sein.«
Bei seinen Worten schöpfte Eryne plötzlich wieder Hoffnung. Zugegeben, er war ein Rohling, ein Mann ohne Moral und Gewissen, der auch vor Folter nicht zurückschreckte … Ein erbarmungsloser Krieger aus einem Volk, das den Oberen Königreichen seit Urzeiten feindlich gesinnt war … Trotzdem wäre sie überglücklich, ihn in diesem Alptraum an ihrer Seite zu wissen. Ihr schmutziges Kleid war das Einzige, was ihr geblieben war. Sie wusste nicht, wo sie Unterschlupf finden sollte und wie viele Legionäre ihnen auf den Fersen waren. Wer würde ihnen unter diesen Umständen besser helfen können als ein Mann, der vermutlich an ein raues
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