Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
noch breiter. Amanon wich langsam zurück, aber die Männer schienen dem Frieden nicht recht zu trauen. Schließlich trat einer von ihnen zögernd einen Schritt vor. Keb tötete ihn mit einem einzigen Hieb seiner Lowa. Die Schädel der beiden Männer prallten mit voller Wucht gegeneinander, was Keb nicht daran hinderte, den Überlebenden mit einem weiteren Schlag niederzustrecken.
»Musste das sein?«, protestierte Amanon. »Was hast du davon, sie zu töten?«
»Frag die Prinzessin«, erwiderte Keb und wies auf Eryne.
Amanon sah zu der jungen Frau hinüber, deren Gesicht hart wie Stein war. Sie blieb stumm und gab keinem von ihnen Recht. Selbst der angewiderte Blick, mit dem sie die Leichen bedachte, war unergründlich.
»Nolan wacht auf!«, rief Cael.
»Gut. Wir müssen hier weg«, befand Amanon. »Es würde mich zwar wundern, wenn sie zurückkämen, aber man weiß ja nie …«
Er wandte sich zu Keb um, der die Taschen seiner Opfer durchsuchte. Bei diesem Anblick stockte er, als bereute er schon jetzt, die Worte auszusprechen.
»Hol deine Sachen. Und beeil dich, falls du mit uns kommst.«
Keb hielt seinem Blick einen Moment lang stand und nickte dann wortlos. Amanon erschauderte. Er hoffte, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Jedes Mal, wenn Eryne das Gesicht ihres Bruders sah, spürte sie einen Stich im Herzen. Nolan hatte so viel Prügel bezogen, dass es vermutlich mehrere Dekaden dauern würde, bis die Prellungen heilten. Die Kerle hatten ihm eine Platzwunde an der Augenbraue zugefügt, ihm einen Zahn ausgeschlagen, und seine linke Wange war so geschwollen, dass es aussah, als würde sie jeden Moment platzen. Dabei hatte er seinen Kopf mit den Armen geschützt und sich so vor Schlimmerem bewahrt. Sein ganzer Körper musste ihm wehtun. Trotzdem lief Nolan mit erhobenem Kinn und entschlossenem Blick neben ihnen durch die Straßen Lorelias.
Keb hatte Nolans Wunde genäht, während die Kaulaner ihre Sachen zusammenpackten und Eryne ihm wortreich für seine Hilfe dankte. Selbst Amanon hatte eingesehen, dass sie es ohne ihn nicht geschafft hätten. Was wäre ohne den wallattischen Prinzen aus ihr geworden? Bei der Erinnerung an den widerwärtigen Mundgeruch und die schmutzigen Hände der Kerle drehte sich Eryne der Magen um. Es war bereits ein paar Mal vorgekommen, dass Männer nach einem feuchtfröhlichen Gelage etwas übereifrig gewesen waren, aber ein oder zwei Ohrfeigen hatten stets genügt, um die erhitzten Gemüter zu kühlen. Diese Kerle hingegen hätten nicht von ihr abgelassen.
Kebree hatte das Schlimmste verhindert. Alle fünf waren mit dem Leben davongekommen. Nun hasteten sie zum alten Hafen, ihre Waffen und das Gepäck in der Hand. Natürlich hatten sie so schnell wie möglich aus der Herberge fliehen müssen, aber Eryne fand es trotzdem merkwürdig, dass sie nicht über ihr Ziel gesprochen hatten. Was wollte Amanon am Hafen? Die Herbergen und Wirtshäuser dort waren vom gleichen Schlag wie die Spelunke, in der sie bisher übernachtet hatten.
Trotzdem konnte sie es kaum erwarten, eine neue Unterkunft zu beziehen, auch wenn es nur vorübergehend war. Allein für ein heißes Bad, ein Stück Seife und eine Bürste hätte sie die Hälfte der Familienersparnisse hergegeben. Außerdem fürchtete sie, auf der Straße trotz ihrer Verkleidung erkannt zu werden. Nicht zuletzt hatte sie es eilig, das Gespräch mit den beiden Kaulanern fortzuführen. Amanon hatte ihnen scheinbar etwas Wichtiges zu offenbaren. Vielleicht wusste er sogar etwas über den Verbleib ihrer Eltern, oder er hatte eine Idee, wo sie nach ihnen suchen konnten. Allein der Beweis, dass sie noch am Leben waren, würde Eryne genügen.
Sie vermisste ihre Mutter und ihren Vater schmerzlich. Sie waren erst seit wenigen Tagen auf der Flucht, aber es kam ihr vor, als wären bereits mehrere Monde vergangen. Würde sie jemals wieder in ihr behütetes Leben zurückkehren? Vielleicht dachte sie und warf Keb einen raschen Blick aus dem Augenwinkel zu. Vielleicht, wenn sie weiterhin zusammenhielten.
Während sie über ihre Zukunft nachgrübelte, erreichten sie den Hafen. Eryne war bislang noch nie in diesem Viertel gewesen, hatte es höchstens ein paar Mal in der Kutsche durchquert und sich dabei stets angewidert die Nase zugehalten. Jeder Ziegel der heruntergekommenen Lagerhallen und jeder schmierige Pflasterstein stank nach brackigem Meerwasser und fauligen Algen. Mehrere Landungsbrücken, an denen unzählige Boote
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