Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
seine Gefährten fragten nicht nach. Zwar hatte Keb ein paar anzügliche Bemerkungen fallen lassen, und Eryne sah ihn jedes Mal groß an, wenn sich ihre Blicke trafen, aber das tat seiner heiteren Stimmung keinen Abbruch. Er wollte Zejabel den Trost spenden, den er selbst erfahren hatte, und ihr helfen, wie er es bei Maugane nicht hatte tun können. Außerdem fühlte er sich unwiderstehlich von ihr angezogen … Es überraschte ihn nicht, dass ihn die Zü am Morgen eher kühl behandelt hatte. Sie schämte sich, Schwäche gezeigt zu haben, und musste sich unter so vielen Fremden als Außenseiterin fühlen. Es war Amanon, der ihr schließlich das Selbstvertrauen zurückgab, auch wenn er sich dessen gar nicht bewusst war: Er hatte ihr einen ganzen Köcher voller Pfeile gekauft.
Zejabel nahm das Geschenk mit einem schlichten »Danke« entgegen, ohne sich anmerken zu lassen, wie bewegt sie war. Mit dieser Geste hatte Amanon ihr wortlos zu verstehen gegeben, dass sie willkommen war – zumindest für einige Tage. Nolan musste lächeln, als irgendwo eine Glocke zu schlagen begann und kurz darauf ein vielstimmiges Geläut das Ende des zweiten Dekants verkündete. Er hätte es schade gefunden, wenn ihm das Konzert der sechshundert bronzenen Glocken, für die Leem berühmt war, entgangen wäre.
Ausgerechnet in diesem Augenblick trat Zejabel zu ihm. Seit dem Morgen hatten sie kaum ein Wort gewechselt.
»Ich … Ich muss dich um einen Gefallen bitten«, sagte sie verlegen. »Ich würde mich gern umziehen. Dieses Gewand steht für etwas, das ich nicht mehr ertrage.« Nolan musterte die roten Gewänder der jungen Frau. Ohne die aufgestickten religiösen Symbole würde sie damit keine besondere Aufmerksamkeit erregen, aber er verstand ihren Widerwillen nur zu gut.
»Vielleicht könntest du mir ein Gewand leihen«, fuhr Zejabel fort. »Im nächsten Hafen werde ich meinen Schmuck verkaufen, mir alles besorgen, was ich brauche, und Amanon das Geld für die Pfeile zurückgeben. Aber bis dahin …«
»Ich werde dir ganz bestimmt keins von meinen hässlichen Sackkleidern überlassen«, widersprach Nolan mit einem Lächeln. »Warte hier.«
Er eilte in die Kombüse und klopfte an Erynes Tür. Seine Schwester war gerade dabei, Niss zu kämmen. Umso besser, dann hatte sie sicher nichts dagegen, sich als Nächstes mit Zejabels Garderobe zu befassen.
Leider quittierte Eryne seine Bitte mit einem ungehaltenen Seufzen. Kurz befürchtete er sogar, dass sie sich weigern würde, der Zü auch nur das kleinste Stückchen Stoff zu leihen.
»Was bleibt mir anderes übrig?«, lenkte sie schließlich ein. »Bring sie her, ich werde schon etwas in ihrer Größe finden. Das meiste wird ihr an der Brust allerdings zu weit sein!«
Nolan überhörte die spitze Bemerkung und gab seiner Schwester einen Kuss auf die Wange, bevor er Zejabel holen ging.
Als die Zü erfuhr, was er vorhatte, protestierte sie entsetzt, aber es gelang ihm trotzdem, sie unter Deck zu bugsieren, wo sie Eryne sofort in Beschlag nahm. »Mal sehen«, überlegte sie mit einem prüfenden Blick auf Zejabels Figur. »Wie wäre es, wenn wir erst einmal dieses fürchterliche Kopftuch abnehmen?«
Ein Schatten huschte über das Gesicht der Zü. Sie zögerte kurz, dann löste sie langsam die Tücher, die sie um den Kopf geschlungen trug. »Es ist das Symbol der Kahati«, erklärte sie mit gepresster Stimme. »Ich lege es zum ersten Mal im Beisein anderer ab. Das war mir nicht erlaubt.«
Nolan begriff, dass es ihr vorkommen musste, als stünde sie nackt vor ihnen. Er bemühte sich, nicht hinzusehen, während Eryne und Niss, die auf dem Bett saß, jeden Handgriff mit unverhohlener Neugier beobachteten. Als alle Tücher zu Boden geglitten waren, bewunderte er Zejabels tiefschwarzes Haar, das ihr kurzgeschnitten und kraus am Kopf lag, hob sich die Komplimente aber für später auf, um sie nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.
»Sehr schön!«, sagte Eryne. »Jetzt können wir versuchen, etwas zu finden, das Eurem … Stil entspricht.«
Sie schritt gleich zur Tat und begann in ihrer Tasche zu wühlen. Nachdem sie mehrere Röcke, Blusen und taillierte Oberteile hervorgezogen hatte, breitete sie die Ausbeute auf dem Bett aus. Nolan war es ein Rätsel, wie sie sich in so kurzer Zeit wieder eine so umfangreiche Garderobe zugelegt hatte.
»Wir können zur Anprobe übergehen«, verkündete sie. »Nolan?« Ihr Bruder sah sie fragend an, bevor er begriff, dass seine Anwesenheit in der
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