Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
erkennenden Pfad entlang, bis die Bäume immer zahlreicher wurden und sie in einen finsteren Wald gerieten, in dem es nach Moder, Schlamm und Brackwasser roch. Der Weg schlängelte sich an morastigen Tümpeln vorbei, gesäumt von dichtem Gestrüpp, in dem Kröten, Nager und andere Kleintiere hausten. Da der Himmel durch die Äste der Trauerweiden kaum noch auszumachen war, herrschte unter den Bäumen ein unheimliches Zwielicht. In der Stille war das Trippeln und Trappeln von Millionen winziger Füßlein zu hören. Zejabel bemerkte plötzlich, dass ihre Haut feucht war. Sie hatten das Lus’an erreicht.
»Bitte sagt mir, dass wir nicht bis morgen durch diese Hölle waten müssen«, flehte Eryne.
»Vergesst den Rückweg nicht«, sagte Bowbaq unnötigerweise.
»Nicht überall ist es so sumpfig«, versprach Zejabel. »Zumindest nicht rings um den Palast. Aber dorthin müssen wir es erst einmal schaffen.«
Sie ging noch etwa zwanzig Schritte weiter und deutete dann auf eine Ameisenstraße, die unter einem Strauch verschwand. »Das sind Meuchelameisen«, erklärte sie. »Sie fallen schlafende Tiere an, kriechen in sämtliche Körperöffnungen und lähmen das Nervensystem von innen. Dann nagen sie ihre Beute bis auf die Knochen ab. Manchmal dauert es mehrere Tage, bis sie stirbt.«
Sie nahm ihren Bogen vom Rücken und bog den dichten Strauch damit beiseite. Der Anblick war abstoßend. Hunderte Ameisen mit langen Beißwerkzeugen krochen auf dem Kadaver eines Bibers herum, den sie bereits zur Hälfte aufgefressen hatten. Eryne schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht vor Ekel aufzuschreien.
»Während einer Prüfung habe ich einmal eine andere Kandidatin so vorgefunden. Sie schlief direkt neben mir, als die Ameisen über sie herfielen. Am Morgen hatten sie sie längst gelähmt. Wir mussten sie töten.«
Sie ließ den Busch zurückschnellen und fasste plötzlich neuen Mut. Derlei Grausamkeiten mussten ein Ende haben. Zejabel würde dem Erzfeind helfen, Dämonen wie Sombre und Zui’a endgültig aus der Welt zu schaffen.
Entschlossen schlug sie den Weg Richtung Norden ein. Die anderen setzten sich sehr viel zögerlicher wieder in Bewegung.
Nur Keb trampelte auf den Meuchelameisen herum, als wären sie für alles Unheil auf Erden verantwortlich, doch selbst das heiterte die Erben nicht auf.
Für den Fall, dass sie doch noch einem ihrer Feinde begegneten, hatte Nolan seine Verkleidung so lange wie möglich anbehalten, aber nun war er es leid, seinen bloßen Oberkörper den Insektenwolken auszusetzen, die sie umschwärmten. Auch wenn Zejabel behauptete, die Wimmelchen, Aschefliegen und Klammerkäfer seien harmlos, machte es ihn verrückt, sie ständig von seiner nackten Haut fortzuwedeln. Vielleicht waren die Insekten die wirksamste Verteidigung, die sich Zui’a für ihren Palast ausgedacht hatte: Bei der Durchquerung der Sümpfe verlor selbst der mutigste Eindringling den Verstand und lief blindlings drauflos, ohne sich vor Schlangen und Krokodilen in Acht zu nehmen. Zejabel hatte die Erben bereits mehrmals eindringlich davor gewarnt, in einem Anfall von Panik überstürzte Bewegungen zu machen, denn selbst wenn sie nur in ein Spinnennetz stolperten, konnte das tödlich sein.
Schließlich bat Nolan um eine Pause und streifte sein Novizengewand über, dessen dicker Stoff seinen Körper besser schützte. Die anderen nutzten den Halt, um sich ihre Kleider fester um den Körper zu binden und sich einen Stock zu suchen, denn Zejabel hatte ihnen erklärt, dass sich manche Insektenarten von kräftigen Stößen auf den Boden in die Flucht schlagen ließen.
Mit den Stöcken konnten sie außerdem die Sträucher beiseiteschieben, bevor sie sich zwischen ihnen hindurchzwängten. Seit geraumer Zeit gab es keinen Pfad mehr, dem sie hätten folgen können – nun befanden sie sich mitten in der Wildnis, in einer Landschaft, wie es sie nirgendwo sonst auf der bekannten Welt gab. Orientieren konnten sie sich nur noch an der Himmelsrichtung: Sie mussten stur nach Norden marschieren. Doch selbst das war schwierig, denn die Sonne verschwand immer wieder für längere Zeit hinter dichten Blättern. Ohne Amanons Kompass wären sie wohl schon mehrmals in die Irre gelaufen, wenn sie wieder einmal umkehren mussten, weil das Gelände zu sumpfig oder überschwemmt war.
»Schon seltsam, dass wir vielleicht die ersten Menschen sind, die diese Sümpfe durchqueren«, bemerkte Niss.
»Auf diese Ehre könnte ich gut verzichten«, murmelte
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