Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Eryne, während sie sich zum Schutz gegen die Insekten ein Tuch um den Kopf band.
Nolan, der auf einem umgestürzten Baum saß und seine Stiefel zuschnürte, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hielt sich nicht für sonderlich verwöhnt oder empfindlich, aber sein Leben in Lorelia und Ith hatte ihn nicht auf eine solche Expedition vorbereitet, das musste er zugeben.
Wenn Mutter uns jetzt sehen könnte,
dachte er, als er aufstand.
In diesem Moment spürte er einen stechenden Schmerz am Schulterblatt. Unwillkürlich schrie er auf. Seine Freunde umringten ihn, um zu sehen, was ihn gestochen hatte, aber erst als er Zejabels alarmierten Gesichtsausdruck sah, bekam er es mit der Angst zu tun.
»Alle weg von dem Baum«, befahl sie.
Das musste sie nicht zweimal sagen. Die Erben wichen mehrere Schritte zurück und sahen sich hektisch um.
Wieder spürte Nolan ein Stechen, diesmal am linken Arm. Amanon fegte ihm einen Käfer von der Schulter, und in diesem Moment sah er, was Zejabel aufgeschreckt hatte: Unzählige murmelgroße Käfer ließen sich von den Ästen fallen. Als sich der wimmelnde Teppich auf sie zubewegte, folgten alle Zejabels Beispiel und traten die Insekten mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Abscheu tot. Mit ihren Stiefelabsätzen gelang es ihnen schließlich, das Käferheer zu vernichten, aber Nolan zitterte immer noch am ganzen Leib.
»Zeckenkäfer«, erklärte Zejabel. »Sie saugen ihrem Opfer Blut aus und verdreifachen innerhalb kürzester Zeit ihre Körpergröße. Wenn dich nur einige wenige stechen, ist das nicht weiter schlimm, aber wenn sie sich in Scharen auf deine Haut fallen lassen …«
»Mein Arm tut immer noch weh«, sagte Nolan besorgt.
»Das kommt vor. Heute Abend dürftest du nichts mehr spüren.«
Heute Abend …
Und dabei war es nicht einmal Mittag. Soeben war er nur knapp dem Tod entronnen. Was für eine grauenvolle Vorstellung, diesen blutrünstigen Käfern als Festmahl zu dienen!
Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass sie vielleicht doch besser die Heilige Straße ins Lus’an genommen hätten, selbst wenn sie dort gegen Hunderte Züu hätten kämpfen müssen.
Während sie sich durch die unwirtlichen Sümpfe kämpften, begegneten sie immer neuen Gefahren. Kurz nach der Attacke der Zeckenkäfer auf Nolan prasselte auch auf Amanon ein Insektenregen nieder. Diesmal waren es Juckklammerkäfer, die ihren Opfern Eier unter die Haut legten. Amanon schüttelte hastig all seine Kleider aus und bat Cael, ihm den Nacken und Rücken abzusuchen, denn wenn er auch nur einen einzigen Käfer übersah, würde er Hunderten hungrigen Larven als Wirt dienen.
Etwas später rutschte Niss auf dem matschigen Boden aus und trat in ein Nest Stachelschrecken. Die fingerlangen Tiere gingen sofort zum Angriff über, und während sie sich noch aufrappelte, hatten schon zwei der Biester ihren Knöchel erreicht und bohrten ihr den nadelspitzen Stachel an ihrem Schwanz ins Bein. Selbst nachdem sie die Tiere zerquetscht hatten, ließen sich die Stachel kaum herausziehen, so tief saßen sie im Fleisch.
Eines der unheimlichsten Ereignisse des Tages war die Begegnung mit einer der berüchtigten Morocas. Zum Glück sahen die Gefährten die Schlange schon von weitem. Sie ruhte reglos auf einem niedrigen, dicken Ast und schien sich für nichts und niemanden zu interessieren. Unter dem Maul wölbte sich ein großer Kehllappen, und ihre Schuppen glänzten tiefgrün. Das Reptil weckte unliebsame Erinnerungen an die Riesenschlangen auf Usuls Insel, und sie schlugen einen weiten Bogen um den Baum.
Bei dieser Gelegenheit erzählte Zejabel ihren Freunden, welche Prüfung Novizen bestehen mussten, um ein Bote Zuias zu werden. Bevor sie den heiligen Hati überreicht bekamen, mussten sie die Hand in einen Korb stecken, in dem eine kleine Moroca eingesperrt war. Mehr als die Hälfte der Jungen wurde gebissen. So überprüften die Judikatoren, ob die Novizen gehorsam gewesen waren und über Jahre hinweg geringfügige Dosen des Gifts geschluckt hatten, um sich dagegen immun zu machen. Auch Zejabel hatte fünfzehn Jahre lang jeden Tag etwas von dem Gift eingenommen, um ihren Körper daran zu gewöhnen, und auch sie hatte ihre Hand in den Korb stecken müssen.
Als die Freunde zum wiederholten Mal an einem riesigen Netz vorbeikamen und Eryne plötzlich eine Spinne vor die Füße fiel, kreischte sie panisch los. Alle dachten, sie hätte sich längst an die Krabbeltiere gewöhnt, so viele Trichter-, Gespenst- und
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