Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Tiefen Traum gefangen gewesen, und dort war ohnehin alles so seltsam, dass es auf ein Rätsel mehr oder weniger nicht ankam.
Amanon erwachte, als seine Freunde gerade zu Mittag gegessen hatten. Er murmelte einen verschlafenen Gruß, vergewisserte sich, dass sie Kurs auf Ith genommen hatten, schob sich hastig eine Scheibe Brot in den Mund und vertiefte sich gleich wieder in seine Bücher. Die Fragen seiner Gefährten wehrte er ab. Er würde ihnen später Rede und Antwort stehen. Einstweilen konnte er an nichts anderes denken als an seine Übersetzung und das Wissen, das in den Manuskripten verborgen war. Am liebsten hätte er zwei Bücher auf einmal gelesen, mit jedem Auge eins, und mit beiden Händen zugleich geschrieben. Aber er arbeitete schon so schnell wie irgend möglich, und so mussten sich seine Freunde eben noch etwas gedulden.
Erst gegen Abend riss er sich von den Büchern los und rief die anderen in der Kombüse zusammen. Während er darauf wartete, dass alle Platz nahmen, starrten sie wie gebannt auf die Blätter, die er in der Hand hielt. Um Aufmerksamkeit musste er sie nicht erst bitten. Amanon räusperte sich und begann, von den Ergebnissen seiner Recherchen zu berichten.
»Wie ihr euch denken könnt, ist es mir nun doch gelungen, das Geheimnis der ethekischen Sprache zu lüften. Gestern Nacht habe ich damit begonnen, die Bücher aus Zuias Bibliothek zu übersetzen, aber es würde Monde dauern, sie alle ins Itharische zu übertragen, und …«
»Monde?«, fiel Keb ihm ungeduldig ins Wort.
»Es handelt sich um fünfunddreißig Bände«, verteidigte sich Amanon. »Und selbst wenn ich mit der Zeit immer schneller werde, weil ich mir mehr und mehr Wörter aneigne, braucht man für eine solche Arbeit die größte Ruhe. Wenn wir erst einmal in Ith sind, werden wir anderes zu tun haben.«
»Sprich weiter, mein Freund«, sagte Bowbaq.
»Bislang habe ich mich auf die Übersetzung jener Passagen beschränkt, von denen ich annahm, dass sie von den Pforten handeln. Außerdem habe ich noch einmal das Tagebuch meiner Mutter durchgesehen. Corenn hat alle ihr bekannten ethekischen Schriftzeichen abgeschrieben, vor allem natürlich die Inschrift der Pforte von Ji. Die Übersetzung dieser Zeichen war noch komplizierter als die der ethekischen Manuskripte, weil die Farben fehlten, aber ich habe es trotzdem geschafft, sie zu entschlüsseln, indem ich alle möglichen Varianten durchprobierte. So erfuhr ich von der Pforte in Ith. Offenbar wird sie in den Inschriften aller anderen Pforten erwähnt. Ich nehme an, dass die Etheker dieser Pforte, die sie als die erste bezeichnen, besondere Ehrfurcht entgegenbrachten.«
»Die erste?«, wiederholte Nolan. »Also sind die Pforten nicht zur gleichen Zeit erbaut worden? Das ist interessant …«
»Außerdem sind die Pforten erst entstanden, als schon Menschen auf der Welt lebten«, fügte Amanon hinzu. »Die Etheker kannten eine Zeit vor und eine Zeit nach der Errichtung der Pforten. So steht es jedenfalls in den Büchern.«
»Und welche Bedeutung hatten die Pforten für die Etheker?«, fragte Nolan. »Erwähnen die Bücher das Jal, die Götterkinder und all das?«
»Das weiß ich noch nicht. Vieles von dem, was in den Büchern steht, nützt uns gar nichts. Manche handeln von der ethekischen Geschichte oder dem Alltagsleben der Stämme, vom Handwerk oder von der Landwirtschaft. Von Interesse für uns ist eigentlich nur die Beschreibung der ethekischen Bestattungsriten. Hier kommen nämlich die Pforten ins Spiel.«
Seine Worte lösten allgemeine Verblüffung aus. Einige seiner Freunde machten große Augen, andere runzelten die Stirn.
»Anscheinend errichteten die Etheker die Pforten zu Ehren ihrer Toten. Und als manche Stämme im Laufe der Zeit in andere Gegenden auswanderten, nahmen sie diesen Brauch mit. Deshalb gibt es heute mehrere Pforten. Vermutlich stand früher in jedem großen Stammesgebiet eine.«
»Aber wozu waren die Pforten da?«, fragte Nolan. »Wie sahen diese Riten aus?«
»Das ist mir noch nicht ganz klar. Offenbar trugen die ethekischen Priester oder jene Stammesangehörige, die für religiöse Rituale zuständig waren, die Verstorbenen unter der Pforte hindurch.«
»Und was dann?«, wollte Keb wissen. »Ließen sie die Leichen einfach im Jal vermodern und kehrten seelenruhig in ihr Dorf zurück?«
»Ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt ins Jal gelangten«, sagte Amanon. »Den Beschreibungen zufolge wurde der Leichnam nach dem Durchschreiten der
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