Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
dass er ihn nicht hatte kommen hören. Nach kurzem Zögern räumte er den Platz neben sich frei und bedeutete Cael, sich zu ihm zu setzen.
»Ich bin auf ein interessantes Kapitel gestoßen«, sagte er und blinzelte schläfrig. »Wenn du aufschreibst, was ich dir diktiere, kann ich mich vielleicht besser auf die Übersetzung konzentrieren.«
Cael griff strahlend zu Feder und Papier. Er hatte fest damit gerechnet, dass Amanon sein Angebot dankend ablehnen würde, und freute sich jetzt umso mehr, ihm von Nutzen sein zu können. Es war lange her, dass sein Cousin und er so einträchtig beisammen gesessen hatten.
Nachdem er die ersten Zeilen niedergeschrieben hatte, war seine Müdigkeit verflogen. Amanon hatte in der Tat eine hochinteressante Entdeckung gemacht.
Zejabel war sehr früh aufgewacht, zumindest nach ihrem Dafürhalten. Da sie nicht gern tatenlos blieb, stand sie auf, um Kebree abzulösen, der gerade Wache hielt. Er saß auf einem Felsen, wenige Schritte von dem brodelnden See entfernt, und seine Lowa lag neben ihm auf dem Boden wie ein achtlos weggeworfenes Stück Holz. Als die Zü näher trat, beschlich sie das unheimliche Gefühl, dass er drauf und dran war, sich in den Feuerkessel zu stürzen. Seine finstere Miene bestätigte ihr, dass er düstere Gedanken hegte.
»Leg dich ruhig noch ein bisschen hin«, sagte sie. »Ich kann nicht mehr schlafen.«
»Ich auch nicht«, sagte der Krieger. »Eigentlich habe ich die ganze Zeit kaum ein Auge zugetan. Unsere beiden Kaulaner konnten aber auch einfach nicht die Klappe halten. Ein Königreich für ein Bett! Wenn ich dann noch was zu saufen hätte, würde ich schlafen wie ein Stein.«
Die Zü nickte. Der Rausch verlockte sie zwar nicht, aber von einem weichen Bett hatte sie auch schon geträumt. Nach den schweren Prüfungen der letzten Zeit und der Prophezeiung ihrer Niederlage sehnte sie sich ebenfalls nach kleinen Momenten des Glücks: einem Sonnenstrahl, der sie im Gesicht kitzelte, oder dem Geschmack von frischem, saftigem Obst. Unweigerlich musste sie an den Brauch mancher Völker denken, ihren zum Tode verurteilten Gefangenen ein letztes Mahl vorzusetzen. Vermutlich war auch der Einfluss des Karu daran schuld, dass ihr die Entbehrungen mehr zu schaffen machten als sonst. Die Kinder, die in diesem Teil des Jal heranwuchsen, nährten aus solchen ungestillten Bedürfnissen ihren Hass, ihre Macht und ihre ungeheure Gier, alles zu besitzen, zu erobern oder zu zerstören.
»Was hältst du von der Vision?«, fragte Kebree. »Glaubst du, dass es sich überhaupt noch lohnt, weiterzusuchen?«
Zejabel war verblüfft, dass gerade der wallattische Prinz, der sich bislang nie hatte entmutigen lassen, eine solche Frage stellte. Im ersten Augenblick hielt sie die Bemerkung für einen seiner schlechten Scherze, doch ein Blick in sein zweifelndes Gesicht verriet ihr, dass er es ernst meinte. Er wollte tatsächlich wissen, was sie dachte.
»Natürlich«, sagte sie. »Ich werde bis zum letzten Atemzug gegen Züia und ihre Verbündeten kämpfen. Das Leid, das uns die Undinen vorhergesagt haben, muss uns ja nicht unbedingt beim letzten Kampf treffen. Abgerechnet wird erst ganz zum Schluss, und es ist nicht gesagt, dass wir das letzte Gefecht nicht gewinnen werden.«
»Das reden sich die anderen auch ein«, erwiderte Kebree grimmig. »Aber was ist, wenn sie sich irren? Wenn diese verfluchten Schlangen tatsächlich unser Ende prophezeit haben? Der Dämon wird uns ganz schön auf die Pelle rücken, und er ist bestimmt nicht so leicht kleinzukriegen wie diese widerlichen schwarzen Affen. Ehrlich gesagt frage ich mich, was wir hier noch verloren haben, du und ich. Diese Prophezeiung geht uns nichts an. Wir gehören nicht zu den Erben. Und wir können nichts tun, um ihnen zu helfen, auch wenn ich mir das eine Weile eingebildet habe.«
Zejabel ließ den Blick über das Nachtlager schweifen, wo der eine oder andere bereits begann, gähnend die Glieder zu strecken. Sie konnte kaum fassen, was sie gerade gehört hatte. Das Letzte, was sie nun gebrauchen konnte, waren Zweifel an ihrem rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft der Erben. Diese Menschen waren alles, was ihr geblieben war. Das war nicht viel, und zugleich von unschätzbarem Wert. Die Bande zwischen ihr und Eryne, Nolans Zuneigung und die aufrichtige Freundschaft der anderen wollte sie nicht mehr missen. Sie würde nicht wanken, erst recht nicht jetzt.
»Mein Schicksal ist an ihres gebunden«, sagte sie unumwunden.
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