Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
saß nur reglos da.
»Das ist viel zu gefährlich«, sagte Amanon schließlich. »Ich zweifle nicht an euren Fähigkeiten, aber …«
»Ich bin froh, dass ich nicht die Einzige bin, die die Idee völlig verrückt findet«, fiel Leti ihm ins Wort. »Tante Corenn, ist dir klar, was du da vorhast? Du willst meinen Sohn dem Dämon ausliefern?«
»Niemand wird hier zu irgendetwas gezwungen«, entgegnete Corenn. »Wir haben nur ein paar Möglichkeiten durchgespielt. Noch ist nichts beschlossen.«
Plötzlich spürte Niss, wie sich Cael versteifte. Er umklammerte ihre Hand wie ein Ertrinkender ein Stück Holz.
»Ich würde uns gern von dem Dämon befreien«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich wäre froh, wenn es so einfach wäre, aber ich habe Angst vor dem, was danach kommt. Nach unserem Sieg über Sombre. Die Stimme in meinem Kopf könnte mich dazu anstacheln, schreckliche Dinge zu tun.«
»Zumal du in diesem Moment das Schwert in der Hand halten wirst«, warf Reyan ein. »Wenn es niemandem gelingt, dich zur Besinnung zu bringen …«
Er ließ den Satz unvollendet, um Cael nicht noch mehr zuzusetzen. Niss konnte sich mühelos vorstellen, was in einem solchen Fall geschehen würde. Sie hatte die Anfälle des Jungen häufig genug miterlebt und kannte seine rasende Wut, seine Grausamkeit und den unstillbaren Drang, seine Überlegenheit zu beweisen. Falls es ihr nicht gelang, den Dämon wieder in sein geistiges Gefängnis zu verbannen, würden die Erben es im Grunde mit einem zweiten Sombre zu tun haben. Und aus Angst, Cael zu verletzen, würden sie nicht wagen, ihn anzugreifen.
Wieder einmal hatte Niss das Gefühl, dass ihr Schicksal und das von Cael auf unheilvolle Weise miteinander verbunden waren. Seit ihrem ersten Kampf im Hafen von Lorelia ließ sie dieser Gedanke nicht mehr los. Jetzt aber wusste sie, was sie zu tun hatte …
Es war, als hätte sie die Vision der Undinen mit eigenen Augen gesehen, als hätten die Feuerschlangen auch ihr enthüllt, wie der Kampf gegen Sombre verlaufen würde.
»Cael kann nicht der Erzfeind sein«, beharrte Leti, blind vor Sorge um ihren Sohn. »Er ist … Er gehört nur zur Hälfte zu den Erben! Yan stammt nicht von den weisen Gesandten ab!«
Sie strich ihrem Mann entschuldigend übers Haar. Yan nahm ihre Hand und sah sie mitfühlend an. Er war nicht beleidigt, wusste aber ebenso gut wie alle anderen, dass Leti Unrecht hatte. Cael erfüllte die Bedingungen, die die Undinen in ihrer Prophezeiung genannt hatten, nicht weniger als Nolan, Eryne, Amanon oder Niss: »Für alle Zeiten wird ein
einziger
Sterblicher eine
einzige
Chance haben, Sombre zu besiegen. Es wird einer Eurer Nachkommen sein, und er wird der Erzfeind genannt werden. Von seinem Sieg hängt der Anbruch des Zeitalters der Harmonie ab.«
»Aber es ist und bleibt zu gefährlich«, setzte Grigän der Diskussion ein Ende. »Vielleicht kommt Caels innerer Dämon im entscheidenden Moment gar nicht zum Vorschein. Das Risiko können wir nicht eingehen. Eure Idee ist nicht ausgereift.«
Niss nickte enttäuscht. Sie war fest überzeugt, dass ihr Plan gelingen könnte. An Mut fehlte es Cael jedenfalls nicht. Wenn er Angst hatte, dann nur um seine Gefährten, nicht um sich selbst. Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange, um ihm zu danken. Gleich darauf hörte er auf zu zittern, und für einen Augenblick durchströmte Niss ein warmes Gefühl.
»Aber was tun wir dann?«, fuhr Nolan fort. »Wir können nicht tatenlos zusehen, wie Sombre über Goran herfällt. Wir dürfen nicht einfach aufgeben.«
»Wir könnten uns alle gleichzeitig auf ihn stürzen«, schlug Keb vor. »Erzfeind hin oder her, einer von uns wird ihm schon einen tödlichen Schlag verpassen. Mir ist es völlig gleich, wem diese Ehre zukommt, und ich vermute, euch geht es nicht anders.«
»Er wird die meisten von uns töten, bevor wir auch nur in seine Nähe gelangen«, widersprach Yan. »Als ich ihn in seinem Mausoleum aufsuchte, hat er bewiesen, wie weit seine Kräfte reichen. Und Grigän und Bowbaq haben erlebt, wie wandlungsfähig er ist.«
Die beiden Männer nickten finster. Niss hatte in Corenns Tagebuch davon gelesen und erinnerte sich noch gut an die Geschichte. In Junin hatte ihr Großvater gegen einen Avatar des Dämons gekämpft, eine aus bloßen Gedanken erschaffene und doch unglaublich grauenvolle Kreatur, die sich nach Belieben Arme oder Krallen hatte wachsen lassen.
»Das war’s dann also?«, rief Keb empört. »Und was ist mit dem
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