Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
rechtfertigen. »Immer wieder kam es zu Gefechten. Niemand hatte Zeit, Seitengänge zu zählen und sich den Weg einzuprägen.«
»So viele Abzweigungen dürfte es nicht geben«, meinte Yan nachdenklich. »Wir hatten damals keine Schwierigkeiten, den Weg zu finden. Also muss es zwangsläufig einen Haupttunnel geben. Je tiefer wir in den Berg vordringen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir den einzigen Durchgang versperren, wenn wir die Decke zum Einsturz bringen.«
Niemand widersprach. Trotzdem saßen sie in der Klemme. Die Erben waren davon ausgegangen, den Tunnel unpassierbar machen zu können, indem sie ihn an drei oder vier Stellen zum Einsturz brachten, doch nun glaubte niemand mehr so recht an ihren Erfolg. Amanon hasste die Ungewissheit. Und dabei hatte er die Durchquerung von Saats verlassenem Heerlager für den gefährlichsten Teil ihres Plans gehalten!
»Hier herumzustehen, bringt uns jedenfalls nicht weiter«, warf Keb ein. »Meine Männer werden nervös, wenn wir immer wieder haltmachen.«
»Und bis Ith ist es noch weit«, drängte Bowbaq.
Dem gab es nichts hinzuzufügen, und so setzten sie sich wieder in Bewegung und traten in den gegenüberliegenden Gang. Mutlos stapften sie voran, und Amanon warf noch einmal einen Blick über die Schulter. Wenn es den Lemuren gelang, die ersten beiden Barrieren zu umgehen, und wenn all diese Gänge tatsächlich zu einem weitverzweigten Netz unter dem Gebirge gehörten, würden die Dämonen mühelos bis hierher vordringen.
Sie lebten seit ewigen Zeiten in den finsteren Gängen des Kam und hatten sicher keine Schwierigkeiten, sich in dem Labyrinth zurechtzufinden.
Zwar spannte Amanon vor Wachsamkeit jeden Muskel an, aber allmählich kroch ihm die Kälte in die Glieder. Die rund zwanzig Lampen und Fackeln, die über die Kolonne verteilt waren, gaben kaum Wärme ab, und obwohl sie dicht gedrängt voranmarschierten, schien er nicht der Einzige zu sein, der fror. Amanon sah sich nach seiner Mutter um und warf dann Eryne einen besorgten Blick zu. Sie hatte ihre Wolljacke fest um sich gezogen und ließ den Kopf hängen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er und rieb ihr die Schultern.
»Ja«, antwortete sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist nur … Ich fühle mich irgendwie benommen. Als würde ein ohrenbetäubendes Dröhnen mich daran hindern, einen klaren Gedanken zu fassen. Es geht bestimmt bald vorbei. Vermutlich hat es etwas mit dem Zustand der Entsinnung zu tun.«
Amanon nickte, ließ seine Geliebte von nun an jedoch nicht mehr aus den Augen. Ihr schien es von Dezille zu Dezille schlechter zu gehen. Schließlich presste sie sich beim Gehen sogar eine Hand auf die Stirn. Auch wenn ihr Leiden kein körperliches war, quälte es sie sichtlich, und Amanon verfluchte seine Ohnmacht. Am liebsten hätte er ihr den Schmerz abgenommen. Welche Ironie des Schicksals: Seine Geliebte war die Einzige, die hätte helfen können. Eryne die Heilende. Die künftige Göttin.
So konnte Amanon nur hoffen, dass ihre Kopfschmerzen bald wieder verschwinden würden. Vielleicht hingen sie ja auch mit ihrer Schwangerschaft zusammen. Eine Weile klammerte er sich an diesen Gedanken, doch als Eryne wie angewurzelt stehen blieb, konnte er sich nichts mehr vormachen.
Entsetzen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, und sie öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Mehr brauchte es nicht, um die Erben in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Alle zogen ihre Waffen und starrten angespannt in die Finsternis vor ihnen.
Als Eryne die Sprache wiedergefunden hatte, wies sie jedoch in die Richtung der wallattischen Krieger, die dicht gedrängt hinter ihnen standen. »Sie kommen!«, stieß sie hervor. »Hunderte!«
Die Zahl traf Amanon wie ein Peitschenhieb. Wirre Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
Hunderte!
Chebree halle also nicht gelogen. Hatte der Sturm auf Goran begonnen? Machten die Bestien Jagd auf die Erben? Oder zogen sie sich ganz einfach bei Einbruch der Dunkelheit in die unterirdischen Gänge zurück? Ganz gleich, warum sie kamen, sie würden sie zu Tode trampeln, wenn sie den Weg nicht freigaben. Und auch wenn Eryne das nicht mit Gewissheit sagen konnte, schien es den Lemuren gelungen zu sein, die erste Barriere zu umgehen – vielleicht auch schon die zweite.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Aufständischen, und Panik brach aus. Die Nachhut begann von hinten zu schieben, was das allgemeine Durcheinander noch verstärkte. Angstschreie
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