Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
hilflosen Blicken der Erben einen grausamen Tod. Eryne wunderte sich, warum die Dämonen die Erben verschonten. Als die Riesenspinne Valipond einem wallattischen Krieger, der sich tot gestellt hatte, den Kopf abbiss, wandte sie den Blick ab, und als sich der tapfere Bra’n sein eigenes Schwert in die Brust rammte, um nicht zwischen Yoss’ Steinhänden zermalmt zu werden, konnte sie zum ersten Mal in dieser blutigen Nacht die Tränen nicht zurückhalten.
Selbst Caels Sieg über Soltan schenkte Eryne keinen neuen Mut. Der Junge hatte den Vampir enthauptet, doch außer den vier verbliebenen Dämonen rückten ihnen jetzt auch noch Zuia und Sombre zu Leibe. Eryne spürte, wie der Bezwinger dem Saal immer näher kam. Als Nächstes wandte sich Cael K’lur zu, aber Eryne wagte nicht zu hoffen, dass er sämtliche Dämonen niederstrecken konnte, bevor sie alle den Tod fanden.
Dennoch überraschte sie das Verhalten der Sprösslinge des Kam. Seit dem Tod des letzten Wallatten wirkten sie unschlüssig und streiften ziellos im Saal umher, bis Phrias plötzlich direkt auf sie zumarschiert kam. Sie begann vor Angst zu zittern, bis ihr aufging, was hier geschah. Da die Dämonen nur ein geistiges Abbild ihrer selbst geschickt hatten, konnten sie die Sterblichen nicht sehen und auch ihre Gedanken nicht wahrnehmen, weil alle außer ihr und Cael von Gwelomen beschützt wurden.
Zögernd wich sie ein Stück zurück, um auf Abstand zu ihren Gefährten zu gehen, aber ihre Eltern und Amanon folgten ihr sogleich, und auch die anderen scharten sich um sie.
»Sie können euch nicht sehen!«, flüsterte sie eindringlich.
»Ich weiß«, wisperte Amanon zurück.
Ihr Geliebter würde nicht zulassen, dass sie sich opferte – dabei gab es keinen anderen Ausweg. Sie musste sich von ihren Freunden entfernen und versuchen, den Dämonen möglichst lange standzuhalten, damit Cael sie einen nach dem anderen angreifen konnte. Vielleicht würden die Erben sogar aus dem Saal fliehen können, bevor Sombre hier eintraf. Aber jedes Mal, wenn Eryne einen Schritt machte, folgte ihr die kleine Schar wie ein Schatten.
Yoss, Phrias und Valipond schienen es nicht eilig zu haben, ihre Schwester, deren Entwicklung ja nicht einmal vollendet war, zu vernichten. Eryne sah den Tod in Gestalt der drei Ungeheuer immer näher kommen. Als ein Raunen durch die Reihen ihrer Gefährten ging, wandte sie den Kopf und sah, dass Zejabel Zuia erstochen hatte.
Triumphgefühle wallten in ihr auf, und als sich gleich darauf Nolan und Kebree von der Empore in den Saal hinunterließen, hätte sie vor Freude weinen können. Eryne hatte beobachtet, wie sich die beiden zur Tür gekämpft hatten und hinausgeschlüpft waren, aber sie hatte sich verboten, an ihr Schicksal zu denken, nachdem Sombre die Empore verlassen hatte.
Plötzlich empfand Eryne eine gewisse Gereiztheit, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Früher, als launische junge Dame bei Hof, war ihr dieses Gefühl vertraut gewesen. Und auch wenn es ihr bestimmt war, Eryne die Heilende zu sein, war sie noch keine vollendete Göttin, sondern dachte und fühlte weiterhin wie ein Mensch: Sie würde nicht hinnehmen, dass ihre Freunde, die so heldenhaft und tapfer gekämpft hatten, von Dämonen abgeschlachtet wurden.
Zorn kochte in ihr hoch, und zum ersten Mal schenkte sie den Stimmen des Karu Gehör, die sich während ihres kurzen Aufenthalts in der Unterwelt in ihrem Kopf festgesetzt hatten. Sie war Eryne die Heilende? Dann war es ja wohl ihre Aufgabe, das Böse zu bekämpfen. Und sie hatte gleich mehrere Verkörperungen des Bösen vor sich: grausame Dämonen, die nur Leid über die Menschen brachten.
Plötzlich ging ihr auf, dass ihre lindernden Kräfte auch eine sehr viel kämpferischere Form annehmen konnten. Ohne zu zögern, ballte sie alle Abscheu, die ihr die Dämonen einflößten, zu einer ungeheuren geistigen Kraft zusammen, und diese grimmige Energie entlud sich in einem Beben, das ihren ganzen Körper erfasste.
Als sie auf diesen unerwarteten Widerstand stießen, erstarrten die Dämonen. Nun entbrannte der ewige Kampf zwischen Dara und Karu, zwischen Liebe und Herrschsucht. Erynes einzige Waffe war die Macht ihres Geistes. Als sie das Zögern der Dämonen sah, trat sie einen Schritt vor und streckte die Hand aus. Die Erben rührten sich nicht, denn auch wenn sie nichts von dem geistigen Ringen zwischen Eryne und den Dämonen wussten, spürten sie doch, dass ihr Schicksal in den Händen ihrer Freundin
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