Die Krieger der Königin: Falkenherz
griffen jeden an, der die Gesetze brach. Sollte Ril seine Kräfte einsetzen, würden sie ihn spüren und er konnte sich nicht mal gegen einen von ihnen verteidigen. Er würde wie ein Nestling in einem angegriffenen Stock seine Aura verstecken müssen, und das bedeutete, dass er den Schwertkampf erlernen musste, wenn er denjenigen töten wollte, der Lizzy gefangen hielt. Er hasste Schwerter. Sie fühlten sich schwach an.
Er legte den Arm über die Augen und fühlte die schaukelnden Bewegungen des Schiffes, das von den Wassersylphen durch die Wellen geschoben wurde. Auch sie konnte er fühlen und sogar hören, als sie sich miteinander unterhielten. Sie waren nicht zum Schweigen verpflichtet worden wie die Sylphen, die weiter im Norden und im Süden beschworen wurden, und sie schwiegen fast nie. Ril hatte nicht gut geschlafen, seit sie in See gestochen waren, und er vermutete, dass er sich ständig übergeben würde, wenn er tatsächlich etwas essen könnte.
Trotzdem war er müde, und sogar wenn diese idiotischen Sylphen ständig redeten, musste er zumindest nicht zusätzlich noch dem idiotischen Jungen beim Schnarchen zuhören – oder die Ausläufer von Leons Träumen spüren. Ril hatte niemals geahnt, dass er in Gefahr war, in Träume hineingezogen zu werden, zumindest nicht, bevor er angefangen hatte, jede verdammte Nacht schlafen zu müssen wie ein Mensch. Bis jetzt war es noch nicht so weit gekommen, dass er die Träume seines Meisters teilte, und er hatte auch nicht vor, es jemals so weit kommen zu lassen.
Er entspannte sich, und der Arm über seinen Augen glitt über seinen Kopf nach oben. Seine Augen blieben geschlossen, und seine Atmung vertiefte sich. Ril schlief und träumte, und obwohl er mit dem Gedanken einschlief, dass er nicht wandern wollte, tat er es doch.
Lizzy befand sich, nach Wochen in einem Käfig, in dem sonst Ziegen lebten, in einer Zelle mit Wänden aus hellem Lehm. Die Eingangstür war verschlossen, was zumindest bedeutete, dass man ihr die Hand- und Fußfesseln abgenommen hatte, das Halsband allerdings nicht, und sie fühlte ständig sein Gewicht. Der gesamte Raum war kaum einen Meter achtzig lang, auch wenn das mehr Platz war, als sie vorher gehabt hatte.
Sie erkundete ihn nicht. Stattdessen lag sie zusammengerollt auf ihrem winzigen Bett, ihre zu Fäusten geballten Hände vor das Gesicht gepresst. Sie war von den Geschehnissen wie betäubt. So musste es sein – aber wenn es so war, warum hatte sie dann immer noch Angst? Sie schauderte. Sie war erschöpft und immer noch schmutzig und verängstigt. Niemand erklärte ihr irgendwas, und der Flügel des Gebäudes, in dem sie sich befand, war abgesehen von ihr leer.
Als sie hierhergebracht wurde, hatte sie Dutzende von Stockwerken voller aufgestapelter Käfige gesehen, vor denen sich schmale Stege entlangzogen, und in den Käfigen waren Menschen gewesen: müde, zungenlose Leute, die sie schweigend anstarrten, während überall Sylphen herumsausten und immer wieder nach unten sanken, um von ihrer Energie zu trinken. Sie erkannte, was vorging, da sie oft genug beobachtet hatte, wie ihr Vater Ril nährte. Der Krieger stand dann einfach nur mit halb geschlossenen Augen da und schien für ein paar Minuten überhaupt nichts zu tun, während Leon geduldig wartete. Diese Sylphen taten das Gleiche, aber ihre Meister protestierten mit stillen Schreien. Aber wie konnte ein Sklave ein Meister sein? Und warum sollte die Sylphe dann zur nächsten Zelle weitergehen und zur nächsten, um von drei oder vier Gefangenen zu trinken, bevor sie wieder verschwand?
Es war ihr egal. Lizzy rollte sich noch enger zusammen und bemühte sich, so klein wie möglich zu werden. Sie versuchte, an ihre Eltern, ihre Schwestern und Ril zu denken, oder sogar an Justin, der sie im Stich gelassen hatte, und an Loren, deren Dummheit das alles überhaupt verschuldet hatte. Sie musste an sie denken, oder sie würde verrückt werden, dessen war sie sich sicher.
»Ril«, flüsterte sie und schlief ein mit der Erinnerung an diese halb geschlossenen Augen und dem Gefühl, dass er etwas aus ihrem Vater zog, sich etwas nahm, was sie selbst fast schon fühlen konnte, als würde er es auch von ihr nehmen.
Im Traum fand sie sich auf der Grasfläche über der Stadt im Sylphental wieder. Der Himmel über ihr war strahlend blau, mit massiven weißen Wolken, die sich zu Gebirgen auftürmten. Die Brise auf ihrer Haut war kühl, und ihre Haare wehten im Wind. Ril kam auf sie zu, wobei
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