Die Krieger der Königin: Falkenherz
anders ergehen.
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10
S ylphental hatte das Herbstfest gefeiert, seit die Stadt erbaut worden war. Die ersten paar Feiern waren bescheiden gewesen, die Ernten klein. Die Gemeinschaft verhungerte nicht, aber alle mussten den Gürtel enger schnallen. Dann wurden die Ernten gut, und die Feier erstreckte sich bis weit in die Nacht hinein. Lizzy hatte jedes Fest so sehr genossen, wie es ihr möglich war. Als Älteste musste sie sich um ihre Schwestern kümmern, und das hieß, dass sie zu Hause blieb, während die anderen Mädchen zum nächtlichen Tanz gingen.
Sie war entsetzt, als sie mit sechzehn Jahren herausfand, dass die Erwartungen ihrer Eltern sich nicht geändert hatten. »Das ist nicht fair!«, schimpfte sie am Frühstückstisch und versuchte ihnen klarzumachen, welche Folter das für sie bedeutete. Es half nichts. Ihr Vater nippte vollkommen unbeeindruckt an seinem Kofe, während ihre Mutter sie nur genervt musterte.
»Das Leben ist nicht fair«, lautete Bethas Urteil. »Es ist deine Aufgabe, dich um die Kleinen zu kümmern.«
»Genau«, fügte Cara hinzu. Ihr Vater tätschelte kurz ihren Kopf, und sie trank weiter ihre Milch.
Lizzy ignorierte ihre Schwester. »Was, wenn sie im Bett sind? Dann fängt der Tanz an. Ich will zum Tanz gehen.«
»Ich lasse dich nicht allein zu einem Tanz, bei dem auch Jungen sind.«
Lizzy starrte ihre Mutter verzweifelt an. Es war der beste Tanz des Jahres, und alle in ihrem Alter gingen hin. Nicht dabei zu sein wäre schrecklich.
»Vielleicht kann ich den Anstandswauwau spielen«, schlug Leon vor. Als seine Frau ihm einen Blick zuwarf, zuckte er nur mit den Schultern.
Diese Lösung war noch schlimmer als schrecklich. Niemand würde sie auch nur beachten, wenn ihr Vater dabei war. Lizzy schaute zu dem Stuhl neben sich, wo Ril, die einjährige Mia auf dem Schoss, saß. Er fütterte sie geduldig mit püriertem Rübenbrei und ignorierte das Tischgespräch.
Impulsiv warf Lizzy ihm die Arme um den Hals. Er zuckte zusammen und hätte fast Brei und Baby fallen lassen. »Ril kann mich begleiten!«, bettelte sie. »Er wird mich beschützen.« Sie presste ihre Wange gegen seine und umarmte ihn fester. Er duftete wie ein Windhauch in hohem Gras. »Bitte, Ril«, flüsterte sie und ein Schauder überlief ihn. Ihr Herz begann zu rasen, und sie stellte fest, wie warm er war. Er schien zu atmen aufgehört zu haben.
»Was sagst du dazu, Ril?«, fragte Leon.
Der Krieger zögerte.
»Bitte«, flehte Lizzy wieder und drängte sich noch fester an ihn. »Bitte!«
»Okay«, murmelte er.
»Lass den armen Mann los«, blaffte ihre Mutter. »Du erdrückst ihn ja.«
Lizzy ließ den Sylph los und strahlte ihn an. Ril erwiderte den Blick ein wenig unsicher, und sie fragte sich, ob sie dafür gesorgt hatte, dass seine Augen so groß waren.
Ril war schon länger der Krieger ihres Vaters, als Lizzy am Leben war. Die meisten Zeit davon hatte er als Vogel verbracht. Er hatte sich mit ihr verständigt, indem er Buchstabenblöcke zu Wörtern aneinander reihte. Diese Blöcke hatte sie, wie den gesamten Rest ihres Spielzeugs, verloren, als sie aus Eferems Hauptstadt fliehen mussten, aber das hatte sie wegen der Überraschung, Ril als Mann zu sehen, nicht bemerkt. Sie hatte ihn als Vogel geliebt. Als Mensch liebte sie ihn noch mehr, mit der ganzen Leidenschaft ihres Herzens. Allerdings hatte er diese Liebe nicht erwidert. Er hatte sie gern, das wusste sie, aber er hatte auch Cara, Nali, Ralad und Mia gern. Mit dreizehn Jahren hatte er ihr endgültig das Herz gebrochen. Mit sechzehn hatte sie ihre Liebe zu ihm überwunden.
Doch als sie mit ihm zum Tanz ging, sie in ihrem schönsten Kleid und Ril in seiner blaugoldenen Uniform, fragte sie sich, ob ein Teil der Leidenschaft zurückkehrte. Sie wusste, dass sie mit sechzehn Jahren zu alt war, um sich dummen Schwärmereien hinzugeben, aber trotzdem fühlte es sich gut an, so zu tun, als wäre er mit ihr dort. Also klammerte sie sich kichernd an seinen Arm, winkte ihren Freundinnen zu und schleppte den Krieger überall hin mit, wo sie hinging. Ril ließ es zu und schwieg, als sie um die Tische herumschlenderten, die auf den abgeernteten Feldern aufgestellt waren. Lizzy lachte, probierte das Essen und lächelte die Jungs an. Sie hatte keine Ahnung, wie Ril sich dabei fühlte, und sie fragte auch nicht danach.
Der Krieger neben ihr, stellte sie fest, brachte ihr mehr Aufmerksamkeit von Jungen ein, als sie allein jemals erhalten hätte. Ermutigt von süßem
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