Die Krieger der Königin: Falkenherz
hatte – an dem Ort, wo er zum ersten Mal Solie getroffen und seine Freiheit erlangt hatte.
Jetzt ging er hinter Shalatar her, immer noch gekleidet in die staubige Hose und die Stiefel, die er bei seiner Gefangennahme getragen hatte. Lizzy hatte sein Hemd, aber er bemühte sich, nicht an sie zu denken. Nicht, dass er es nicht wollte, aber er würde sich in Erinnerungen an sie verlieren, wenn er das tat, und das konnte er sich im Moment nicht leisten. Er wollte einen Weg finden, sich zu befreien. Aber er wusste ehrlich nicht, wie ihm dies gelingen sollte. Shalatar hatte ihn tiefer gebunden, als er es je für möglich gehalten hätte. Ril folgte dem Mann, immer drei Schritte hinter ihm – wie befohlen. Er sprach nicht und konnte es auch nicht. Wie befohlen. Tausende Befehle erfüllten seinen Geist, alle von Bruder und Schwester erteilt, ohne einen einzigen Fehler. Leon hatte ihm zehn Befehle erteilt, als er ihn gebunden hatte, und er hatte sich gefangen gefühlt. Diese Leute hatten ihm Hunderte erteilt, und nicht ein Einziger widersprach einem anderen. Sie hatten Jahrhunderte Zeit gehabt, die Litanei zu perfektionieren, und er musste sich vollkommen fügen.
Obwohl Shalatar sein Meister war, musste Ril nun einer ganzen Reihe anderer Leute gehorchen: dem Kaiser; dem Ersten, der die Sylphen kontrollierte; dem Kriegersylphen-Ersten, der speziell die Krieger befehligte; der Herrin des Harems, die Rashala war; allen Wärterinnen und Wächtern, die auf die Sylphen aufpassten; und anderen mit anderen Aufgaben. Die Zeitpunkte seiner Mahlzeiten, der Zeitrahmen seiner Paarungen, die Regeln des Harems, die Regeln der Pferche, sie alle hallten in ihm nach. Die Regeln, wann er einer bestimmten Person gehorchen sollte und in welcher Reihenfolge er ihnen gehorchen musste und zu welchen Zeiten. Er fühlte sich, als könne er sich unmöglich an alles erinnern, aber er wusste, dass die Befehle existierten und zu einem Teil von ihm geworden waren.
Shalatar wiederholte die Regeln noch einmal, als sie den Beschwörungsraum verließen. Hier ähnelten die Meister nicht denen in Eferem. Ril würde den Mann wahrscheinlich niemals wiedersehen. Aber er musste sich aufgrund von Shalatars ersten Befehlen vor anderen Leuten verbeugen und ihnen gehorchen. Aber trotzdem konnte er die Gefühle des Mannes fühlen, klarer als die jedes anderen, an dem sie vorbeikamen, so wie es bei jedem seiner Meister war. Im Moment fühlte Shalatar sich … belästigt.
Ril hätte geschrien, aber natürlich war ihm das nicht erlaubt. Stattdessen wartete er. Das letzte Mal, als man ihn gebunden hatte, war er verrückt geworden, in den Wahnsinn getrieben von seiner Knechtschaft, bis er Lizzys Geburt beobachtet hatte und durch die Liebe zu ihr seinen Weg zurückfand. Diesen Luxus konnte er sich diesmal nicht erlauben. Er musste sich Gedanken um Leon und um Lizzy machen – und welche Befehle sein Meister auch gegeben hatte, er durfte den Harem besuchen und auch die Frauen darin. Er würde Lizzy wiedersehen und sich in ihr verlieren, und bis dahin musste er einfach nur überleben.
Shalatar führte ihn auf den Platz, der das Treppenhaus umgab. Ril fühlte die Hitze nicht so wie Leon, aber er blinzelte in das helle Licht und sah nach oben zu dem, was zu ihnen herabschwebte. Es wirkte wie ein verzierter Schlitten, nur ohne Kufen. Eine unsichtbare Luftsylphe hielt es in der Luft. Ihre Energien umschlossen das Ding, als sie es sanft vor ihnen auf dem Boden absetzte. Der Fahrer, ein Mann, der genauso kahl war wie Shalatar, verbeugte sich tief und öffnete die Tür.
Shalatar trat hinein und setzte sich. Ril folgte ihm, aber er kauerte sich zu den Füßen des Mannes auf den Boden. Der Sitz war nicht für solche wie ihn. Normalerweise wäre er Shalatar in seiner natürlichen Form gefolgt, aber das konnte er nicht mehr, und sie mussten diesem Umstand Rechnung tragen. Es war reines Glück, dass sie dachten, er könne sich nicht verwandeln. Ril machte sich Hoffnungen, dass er das gegen sie verwenden konnte, sobald er in dieser Litanei der Unterwerfung ein Schlupfloch fand.
Für den Moment kauerte er wie ein gehorsamer, wenn auch hasserfüllter Hund zu den Füßen seines Meisters. Der Schlitten erhob sich in die Luft und schwebte schnell über die Stadt hinweg. Weitere Schlitten bewegten sich durch die Luft und schossen über die Stadt hinweg wie bunte Bienen. Ril musterte ihre gut gekleideten Insassen mit Abscheu. Sie alle sahen ihn nur als Ware, genauso wie sie Lizzy als
Weitere Kostenlose Bücher