Die Krieger der Königin: Falkenherz
erhob sich leise und tapste zum Vorhang. Er achtete darauf, Kiala nicht zu wecken, als er aus der Nische spähte und niemanden entdeckte. Kiala schnarchte weiter, während ihr ein wenig Speichel über das Kinn rann. Alle anderen Krieger waren in Nischen beschäftigt, und die Frauen waren entweder bei ihnen oder sie schliefen. Es gab an diesem Ort keinen Unterschied zwischen Nacht und Tag, aber trotzdem schien das Leben spät in der Nacht ein wenig langsamer zu werden. Das galt auch für die Wärterinnen, und Zwo konnte keine von ihnen an den Gucklöchern spüren.
Er ergriff die Gelegenheit, nahm seine natürliche Gestalt an – eine Wolke aus Energie, mit roten Augen und einem Maul voller Zähne aus Blitzen – und streckte seine Flügel aus. Allerdings flog er nicht wie ein Vogel. Stattdessen schwebte er nach oben und drängte sich vorsichtig in den Schlot, der ihn aus dem Harem führen würde. Er bewegte sich unglaublich vorsichtig, denn es waren Glöckchen aufgehängt, welche die Wärter über seinen Ausflug informierten.
Die Alarmvorrichtung schlug nicht an, da Zwo seine gesamte Substanz aufgegeben hatte. Eilig flog er die sich windende Passage entlang und drängte sich durch Schlitze, durch die kaum eine Ratte gepasst hätte und noch weniger eine Frau, auch wenn er ein paar Frauen kannte, die es versucht hatten. Keine war an den Glöckchen vorbeigekommen. Eapha hatte einmal denselben Vorschlag gemacht, aber er hatte sie davon abgebracht. Auf diesem Weg würde sie es niemals nach draußen schaffen. Und noch schlimmer, er hatte den Befehl, sie aufzuhalten, sollte sie es versuchen.
Zwo glitt durch die fast einen Kilometer langen Tunnel und flog an dem Ausläufer vorbei, der ihn zu den Pferchen der Futtersklaven gebracht hätte, doch er verließ die Tunnel. Das war sein Schlupfloch: Er musste zu bestimmten Zeiten in der Arena und im Harem sein, aber zu dem Pferchen der Futtersklaven durfte er, wann immer er wollte, ohne irgendwelche Auflagen in Bezug auf die Dauer seines Aufenthaltes. Und man hatte ihm auch nicht befohlen,
direkt
dort hinzufliegen. Solange er sich heute Nacht nährte, verstieß er nicht gegen Befehle.
Er wusste nicht, wie viele andere Krieger dieselbe Idee gehabt hatten – und es interessierte ihn auch nicht. Trotzdem machte er sich Sorgen, dass alle Befehle geändert werden würden, sollte einer das Geheimnis verraten. Deswegen war es wichtig, dass niemand ihn sah, und so schwang er sich in die Dunkelheit und achtete sorgfältig darauf, dass er sowohl nach oben als auch nach unten nur seinen dunklen Mantel zeigte. Über ihm schwebte die große Stadtburg und verdeckte die Sterne genauso wie tagsüber die Sonne. Er flog in ihrem Schatten und kam an anderen Sylphen vorbei, die ihren Aufgaben nachgingen. Ein paar nahmen ihn wahr und schimmerten, aber niemand versuchte, ihn aufzuhalten oder mit ihm zu sprechen. Aber er spürte ihr Elend. Auch wenn es ihm möglich gewesen wäre, wollte er nicht mit ihnen sprechen, da er ihnen nicht helfen konnte.
Nach siebzig Jahren war er es gewöhnt, nicht sprechen zu dürfen. Die Zeichensprache, die er erlernt hatte, reichte gewöhnlich vollkommen aus, aber jetzt wünschte er sich, er könne reden – oder dass Sieben-Null-Drei die Zeichensprache verstünde und ihm sagen könnte, wie er Lizzy zu seinem Meister gemacht hatte. Oder wer es für ihn getan hatte. Die Menschen hier machten Meister aus Futtersklaven, nachdem sie sie verkrüppelten, damit sie nicht einen einzigen Befehl geben konnten. Aber kein Futtersklave eines Kriegers war weiblich. Niemand band ein Mädchen an einen Kriegssylphen. Wie hatte es Sieben-Null-Drei geschafft? Und woher kam das Muster einer Königin ihm? Alle Verbindungen waren durchtrennt worden, als sie das Tor durchquert hatten, und Zwo konnte sich nicht vorstellen, dass eine Königin selbst das Tor durchquert hatte.
Er hatte Sieben-Null-Drei genau beobachtet, in dem Versuch, es selbst herauszufinden. Er hatte die Muster des anderen Kriegers analysiert, bis er sie genauso gut kannte wie seine eigenen – und auch das Muster in Lizzy. Er verstand einfach nicht, wie es entstanden war, und das machte ihn wahnsinnig. Wenn er Sieben-Null-Drei nur dazu bringen könnte, zu verstehen oder ihn dazu zwingen könnte, ihm zu zeigen, wie es funktionierte, dann könnte er Eapha zu seinem Meister machen. Aber er konnte nicht mit Sieben-Null-Drei reden. Seine Befehle verboten es, und die natürliche Abscheu … Immer, wenn zwei Krieger
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