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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Handvoll feinster Fäden überreichte, Fäden, die Bellos zuvor in die Seelen der Legionare gepflanzt hatte und über die die Träumer ihre Opfer nun langsam einholen und an sich reißen würden, ganz so, wie auch Fischer ihre Beute an einer Schnur zu sich heranzogen. Doch nicht alle Träumer zerrten in der Gestalt der Verstorbenen die Seelen der Legionare in deren ganz persönliche Hölle. Einige wenige nämlich hatten stattdessen von Bellos eine etwas weniger tückische und deutlich leichter auszuführende Aufgabe zugeteilt bekommen: »Ahmt den Schrei der Krähe nach und den des Adlers, und wenn ihr könnt, vermischt diese beiden Schreie miteinander, sodass es so klingt, als wärt ihr eine überwältigende Schar, die in Schwärmen über die Legionare herfällt. Werft außerdem Sand in die Luft, lasst ihn die Gestalt von Schlangen annehmen. Lasst das Gras sich unter den Füßen der Römer winden. Ihr seid Schlangen, die zu Hunderten auf die Legionare zugleiten.«
    Dann, irgendwann, war Bellos am Ende der Reihe angelangt. Er stand vor Thorn. Noch lebte sie, streckte ihm die Arme entgegen, strich ihm zart mit dem Finger über die Lippen und legte seine Hand an ihre Wange. »Und du bist die Möwe, bist viele Möwen«, erklärte er ihr, »und frisst den Männern die Augen aus ihren Höhlen.« Thorn umschloss seine Hand. Noch einmal erahnte er ihre Ruhe, ganz so, als ob sie eine Eiche wäre, deren Wurzeln tief in die Erde reichten und die kein Sturm fällen konnte, erahnte die Furchtlosigkeit, mit der sie dem Tod entgegenblickte, und hörte, wie sie leise seufzte, während sie versuchte, sich zu konzentrieren. Und dann spürte er es klar und deutlich: den Sog der See, den klaren, fast schon schmerzhaft hellen Himmel, Scharen über Scharen von weißen Seevögeln, die sich erst den Wolken entgegenhoben wie das Auge des Sturms und dann mit brausendem Flügelschlag auf die Männer herabstießen.
    Bellos beugte sich ein wenig vor und küsste Thorn auf die Stirn. »Danke. Ich liebe dich. Vergiss das nie.«
    Lächelnd presste sie die Lippen auf seinen Hals. Dann verließ er sie, und in seinem Herzen tat sich ein bodenloser Abgrund auf und zerriss ihm schier die Brust.
    Wohingegen die feinen Lücken, die zuvor in seinem Traumnetz geklafft hatten, mittlerweile alle geschlossen waren. Es gab nichts mehr, was er den Träumern noch hätte mitteilen müssen. Langsam wandte er sich um und stemmte die Füße in den Kies. Der Wind änderte die Richtung, peitschte Bellos geradezu ins Gesicht und ließ salzige Gischt auf seine Haut regnen. Er hörte, wie Ruderblätter sich aus dem Wasser hoben und dann wieder eintauchten, hörte den keuchenden Atem von schier unzähligen Männern.
    Nahe. So nahe.
    In Gedanken streckte Bellos die Hand nach Graine aus und fand sie, schwelgte für einen winzigen Moment in der kummervollen Freude, die seine junge Vertraute jedes Mal dann durchfuhr, wenn Bellos auf diese Art nach ihrer Seele und ihren Gedanken tastete. Doch unter dieser Freude war ein tückischer Strudel aus Zweifeln, ein Strudel, den auch er kannte und der in ihr nicht weniger reißend wirbelte als in ihm. Denn nur sie beide hatten das Gewebe des Feuers gesehen. Nur sie allein wussten, inwieweit die Vorbereitungen am Strand von Mona von dem abwichen, was Graine in ihrer Vision gesehen hatte. Und selbst wenn sie es geschafft hätten, ihre Vision ohne Abstriche in die Wirklichkeit zu übertragen, hätten sie doch noch immer nicht gewusst, ob all dies tatsächlich die gleichen Folgen zeitigen würde wie im Traum.
    Bellos öffnete seinen Geist den Göttern, ließ das Licht seiner Seele, seine ganze Aufmerksamkeit über die um ihn versammelten Träumer gleiten und über das Netz, das diese gewoben hatten und das nun lauernd über den Legionaren schwebte, die sich langsam an den Strand schleppten.
    Irgendeiner der Männer rief in lateinischer Sprache einen Befehl. Die Stimme klang wie die von Valerius und war doch gleichzeitig so ganz anders. Ein Flachbodenschiff landete am Kiesstrand an.
    Wie einen Blitz spürte Bellos die Todesangst in sich einschlagen. Aus dem Zentrum dieser Angst heraus sprach er ein rasches Stoßgebet und brüllte dann aus voller Kraft: »Jetzt!«

XXII
    Camulodunum stand in Flammen.
    Das Unwetter, das die ersten Augenblicke des Angriffs noch mit seinem dichten Regen durchtränkt hatte, war weiter nach Westen gezogen. Eine erfrischende Brise hatte die Holzvillen der Händler und das Flechtwerk der einfachen Handwerkerhütten

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