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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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einen Weg in die Tiefen des Hohlraums zu ertasten.
    Früher einmal war das Innere des Hügelgrabs mit grünem, nach Harz duftendem Holz ausgekleidet gewesen und erfüllt von den Wohlgerüchen frisch gekochten Essens, das man dort hingestellt hatte, damit der Verstorbene in guter Verfassung war, wenn er die Reise zu seinen Göttern antrat. Nun war nur noch trockene Erde übrig, die unter Breacas Fingerspitzen zu Staub zerbröselte und ihr von oben in die Augen rieselte.
    Sie zwang sich, sich einmal rundherum an den Wänden entlangzutasten, bevor sie sich schließlich auf den Boden legte. Die Männer des Prokurators hatten die Grabkammer vollständig ausgeräumt und nichts, aber auch gar nichts übrig gelassen. Es fand sich keine Spur mehr von dem goldenen Schild oder den glänzend polierten Schwertern, keine Spur mehr von dem vergoldeten Triumphwagen, den Cartimandua als Grabbeigabe gespendet hatte, wie immer zu protzig und großspurig. Und auch die Krüge mit Wein und Oliven waren verschwunden, sowie die Teller mit Brot und Fleisch und die Becher mit Ale, die drei Tage lang in der Kammer gestanden hatten und dann zerbrochen worden waren, damit sie in das Land hinter dem Leben gelangen konnten und nicht etwa einigen allzu gierigen Lebenden zum Opfer fielen. Es war auch nichts mehr übrig geblieben von der Bahre, auf welcher der Leichnam des Sonnenhundes gelegen hatte, oder von der Urne mit Asche, die in der Kammer platziert worden war, nachdem man seine sterblichen Überreste verbrannt hatte.
    »Sie werden die Grabkammer ganz sicherlich bei Tageslicht geplündert haben. Kein Römer würde sich nach Einbruch der Dunkelheit noch hierhertrauen.«
    Breaca sprach mit Stone, der sich neben sie gelegt hatte, sein Körper dicht an den ihren gepresst, sodass sie seinen warmen Atem spüren konnte und das feine Zittern, das ihn unaufhörlich durchlief.
    Dann lag sie eine Weile still da und dachte an Schlaf und an Heilung. Als sich keines von beiden einstellen wollte, ließ sie ihre Gedanken zu dem Grabhügel schweifen, so, wie er ursprünglich gewesen war, und zu dem Mann, für den man ihn errichtet hatte. Stück für Stück und aus ihrer nicht mehr sonderlich deutlichen Erinnerung heraus erschuf sie in ihrer Vorstellung ein Bild von ihm und füllte dieses dann mit jenen Charakteristika, die durch die Generationen hindurch weitervererbt worden waren und die ihr daher näher und vor allem sehr viel teurer waren: mit Graines Augen, mit Haar, das von der Farbe her ein Mittelding zwischen Cunomars Schopf und dem Cygfas war, mit Caradocs Stirn und seiner Adlernase …
    ... Und schließlich dachte Breaca an Caradoc, was sie seit dem Winter und dem Tod von Prasutagos nicht mehr getan hatte, und dann ging sie in Gedanken noch weiter zurück in die Vergangenheit, bis sie ganz am Anfang angekommen war. Und von dort aus begann sie damit, ihr Leben wieder zu rekonstruieren, es Tag für Tag und Jahr für Jahr wieder an sich Revue passieren zu lassen und dabei all den erlittenen Schmerz und die seelischen Wunden bloßzulegen. Noch niemals zuvor hatte sie sich an eine derartige Innenschau gewagt.
    Sie war gerade bei Graines Geburt angekommen und durchlebte im Geiste noch einmal den halben Tag voller reiner, unverfälschter Freude sowie das Chaos, das darauf gefolgt war, als sie plötzlich wieder das Rascheln von Gewändern und das leise Schlurfen von Füßen durch hohes Gras hörte.
    »Breaca?« Theophilus’ Stimme war rau vor Müdigkeit. »Hättest du gerne Licht? Oder möchtest du etwas zu essen? Ich habe beides.«
    Langsam setzte sie sich vom Boden auf. »Woher hast du denn gewusst, dass ich wach war?«
    »Ich habe dich weinen gehört. Wenn du lieber weiterhin im Dunkeln sein möchtest und allein und ungestört, dann gehe ich wieder.«
    »Nein. Ich brauche keine Dunkelheit, um mich an das Licht zu erinnern, und ich wäre sehr froh, wenn du mir Gesellschaft leisten würdest.«
    Theophilus brachte eine flackernde, mit Kiefernharz getränkte Fackel mit sich und auch eine Art Ständer, der die Fackel aufrecht hielt, als er sie auf den Fußboden stellte. Das Licht ließ Schatten über die Wände tanzen und drängte die Vergangenheit und ihre Gespenster hinaus in die Nacht. Mit einem Mal war es keine unheimlich anmutende Grabkammer mehr, in der sie sich befanden, sondern nur noch das Innere eines simplen Erdhügels mit langsam abbröckelnden Wänden und den vertrockneten Skeletten von Mäusen auf dem Boden.
    Theophilus ließ sich unweit von

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