Die Kriegerin der Kelten
die gleiche Richtung, in die Valerius sich gewandt hatte. Sie ließ den Blick über jene Ebene schweifen, über der vor kurzem noch der Mond gestanden hatte und wo nun eigentlich finstere Nacht hätte herrschen müssen. Stattdessen aber schien der Himmel geradezu zu kochen, und blasse, flackernde Lichter hoben sich vor dunklen Wolken ab.
Viel zu früh war die Morgendämmerung wieder über sie hereingebrochen. Genau genommen sah es sogar so aus, als ob die Sonne gleich an mehreren Orten zugleich aufginge, denn hinter dem ersten und größten Feuer konnte Breaca noch vier weitere, etwas kleinere ausmachen, und mit ihnen vier Rauchsäulen, die in gleich bleibendem Rhythmus von weißen Schwaden zu schwarzem Qualm wechselten und wieder zurück.
»Cunomar«, murmelte Breaca leise in den heraufziehenden Morgen, denn ganz offensichtlich wagte kein anderer außer ihr, diesen Namen auszusprechen. Dann erklärte sie: »Er hat offenbar einen der Wachtürme angegriffen und damit eine Signalfeuerkette ausgelöst.«
»Aber es war ihm doch verboten worden. Er durfte weder die Neunte Legion im Norden herausfordern noch das Stadtgebiet von Camulodunum im Süden attackieren«, wandte Valerius ein. »Und wir alle haben darauf vertraut, dass er nicht so dumm sein würde, nun beide gleichzeitig gegen uns aufzubringen.«
Für einen flüchtigen Augenblick konnte Breaca einen deutlichen Einblick in die Gedanken ihres Bruders erhaschen: Auf puren Zorn folgte zunächst echte Frustration, bis beide schließlich jenem spöttischen, trockenen Humor weichen mussten, mit dem Valerius auf fast alle Ereignisse zu reagieren pflegte. Einzig, dass diesmal auch eine Spur von Erstaunen, fast schon Bewunderung in seinem matten Lächeln zu liegen schien.
Mit einem leisen Pfeifen stieß Valerius die Luft zwischen seinen Zähnen aus und fuhr sich dann mit der Zunge über die Lippen. An Breaca gewandt erklärte er schließlich nachdenklich: »Wir können es uns einfach nicht leisten, nun genau zwischen den Hammer der Neunten und den Amboss von Camulodunum zu geraten. Andererseits hat der in der Stadt befehlführende Zenturio gerade erst drei komplette Kohorten seiner Streitmacht an die Kriege im Westen verloren. Er wird seine Veteranen also nicht eher gegen uns aussenden, bis er genau weiß, womit er es eigentlich zu tun hat. Womit wir hingegen auf jeden Fall rechnen müssen, ist, dass er, sobald wieder Tageslicht herrscht, einige Melder aussenden wird. Und zwar mit dem Auftrag, so schnell sie nur irgend können nach Norden zu reiten und irgendwie lebend das Lager der Neunten Legion zu erreichen, um denen dann den Befehl zu überbringen, dass sie sich schleunigst auf den Weg nach Süden machen sollen, um uns mit aller Macht in den Rücken zu fallen. Sollten wir also das Glück haben, diese Kuriere abfangen zu können, bestände die Chance, dass wir Cunomars Fehler zumindest in einen Teilsieg umwandeln könnten.« Valerius musterte Breaca von Kopf bis Fuß. »Könntest du diese Aufgabe übernehmen?«
»Nein.« Noch immer stand ihr von den Anstrengungen ihres kleinen Gefechts der kalte Schweiß auf der Stirn. »Über dieses Thema haben wir uns schon einmal unterhalten. Schneller als im Schritt kann ich noch nicht wieder reiten. Und ich habe auch noch nicht wieder die Kraft, um so lange ein Schwert schwingen zu können, wie es nötig wäre, um eine komplette Schlacht durchzufechten. Ich bin einfach noch nicht dazu imstande, das Kriegsheer in einen Kampf zu führen.«
»Ich weiß. Aber ich habe da schon eine Idee. Und wenn die funktionieren sollte, wird es gar nicht zu einer regulären Schlacht kommen. Alles, was du tun musst, ist, vor den Augen des Kriegsheers einen der römischen Melder niederzustechen, damit deine Krieger wieder glauben können, dass sie dich haben kämpfen sehen. Ich werde ebenfalls da sein, ich werde den Kurier hereinrufen und ihn, falls nötig, sogar eigenhändig für dich festhalten. Vertraust du mir, dass ich das für dich, für unser Volk, tun würde? Vertraust du mir, dass ich schon dafür sorgen werde, dass du bei diesem Scheinkampf in jedem Fall in Sicherheit bist?«
Valerius stellte seine Frage wie nebenbei, er, der Bruder, den sie einst hatte töten wollen. Er dagegen hatte nichts dergleichen versucht, sondern ihr lediglich angeboten, bis an das Ende seiner Tage in ihren Diensten zu stehen. Zweifel blitzten in seinen Augen, nun, da er seine Schwester gebeten hatte, sie beschützen zu dürfen. Zweifel, die Breaca bislang noch
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