Die Kriegerin der Kelten
Händlerbuden und nahmen Metallreste an sich, die sich vielleicht noch einmal zu einer Waffe einschmelzen ließen. Sie sammelten auch Leder für eventuelle Rüstungen und natürlich alles, was noch an Essbarem vorhanden war, das nicht dem Feuer zum Opfer gefallen oder durch die allgegenwärtigen Aasvögel verunreinigt worden war.
Zudem war die Ausbeute hier auch deutlich ertragreicher als in den Trümmern von Camulodunum: Ehe die Feuer die Überreste des Ortes an der Brücke allzu nachhaltig vernichten konnten, hatte der Sturm die Flammenherde schon wieder gelöscht. Außerdem gab es hier auch keine steinerne Tempelanlage, um die bis zum Endsieg schließlich noch eine regelrechte Belagerungsschlacht geführt werden musste. In der Siedlung an der Brücke von Vespasian gab es einfach keine ausreichend trutzigen Anlagen, die eine Belagerung wert gewesen wären oder diese überhaupt erst ermöglicht hätten, und es gab auch keine Veteranen, die sich zu einem Wehrheer hätten zusammenschließen können. Das - im wahrsten Sinne des Wortes - Schlachten an der Brücke von Vespasian war also alles in allem überaus rasch vonstatten gegangen, wobei die meisten Opfer auch noch mit dem Schwert oder dem Speer erzielt wurden. Die letzten Überreste hatte dann das Feuer beseitigen sollen.
Valerius, der den Sturm bereits hatte herannahen gesehen, hatte seinen Kriegern befohlen, sich in einem Dreiviertelring um die Stadt zu gruppieren, dessen Öffnung zum Flussufer hinweisen sollte. Dann, auf ein zuvor abgesprochenes Kommando hin, sollten sie schließlich auch diese letzte Lücke noch schließen, sodass es keine unerwarteten Einbrüche mehr geben konnte in dem Ring aus eisernen Waffen. Die eigentliche Schlacht war sehr zügig und diszipliniert vonstatten gegangen, und die letzte noch verbliebene kleine Horde von wehrhaften Bürgern, die sich in der Mitte des Ortes versammelt hatte, war schließlich dem über die Siedlung fegenden Rauch zum Opfer gefallen. Reglos lagen die Toten nun da, in genau jener Haltung, in der sie zu Boden gefallen waren, nur dass ihre Leiber mittlerweile aufgedunsen waren von den Gasen, die sich nach dem Tode und unter der Einwirkung der Wärme in ihnen gebildet hatten.
Die befestigte Straße dagegen war komplett gesäubert von eventuellen Leichen oder verkohltem Holz. Vorsichtig kletterten Valerius und Theophilus nun von dem Marschwall hinab und näherten sich der Brücke.
»Theophilus, was würdest du tun, wenn du an meiner Stelle wärst?«, fragte Valerius.
Der Regen hatte zwischenzeitlich etwas nachgelassen. Entsprechend hatte sich auch Theophilus’ Laune wieder ein wenig gehoben. »Ich würde genau das tun, was auch du tust, nur dass ich wahrscheinlich noch ein wenig besorgter wäre bei dem Gedanken, dass Paulinus womöglich die Vasallenkönige im Süden dazu aufrufen könnte, ihre jeweiligen, durch Eid an sie gebundenen Speerkämpfer zu vereinigen und diese dann als geschlossenes Kriegsheer nach Norden über den Fluss zu entsenden, um dem Gouverneur zur Seite zu stehen. Ich stimme also vollkommen mit dir überein: Allein schon, um das zu verhindern, würde auch ich die Brücke zerstören. Die Frage ist nur, wie du das anstellen willst, ich meine, jetzt, da die Brückenanlage zu nass ist, um sie einfach niederzubrennen?«
»Für dieses Problem habe ich doch Madb von Hibernia, sozusagen meine ganze eigene Ingenieurin. Sie kennt das Holz, wie ein Schmied das Eisen versteht. Und solltest du noch ein bisschen hier verweilen wollen, dürftest du Zeuge werden, wie die Stämme zerstören, was Rom einst aufgebaut hat.«
Die Nachricht, die der Späher überbrachte, wurde erst an Ulla übermittelt und von Ulla dann an Cunomar, der sich mit einem halben Dutzend Krieger in einem Kuhstall ganz in der Nähe des Hauses des obersten Verwaltungsbeamten von Verulamium versammelt hatte. Die Krieger versuchten, drei schieferrote Kühe samt der beiden dazugehörigen Färsenkälber zu umzingeln.
»Die Brücke von Vespasian ist gefallen.«
Ulla stand mitten in der Scheunentür und schrie die Botschaft geradezu heraus, um sich bei all dem Lachen und Muhen im Stall besser Gehör verschaffen zu können.
Abrupt verstummten alle Krieger. Allein die Kühe stießen noch immer ihre aufgebrachten Schreie aus. Keuchend lehnte Cunomar sich gegen einen Pfosten und fuhr sich mit einer nassgeschwitzten Hand durch das Haar. Mit einem Mal war sein ganzes Wesen wieder ernst und konzentriert. Dennoch dauerte es noch eine Weile,
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