Die Kriegerin der Kelten
bis endlich auch das Grinsen wieder aus seinen Zügen gewichen war, ganz so, als ob dieser Teil seiner Anatomie sich erst als Letzter an die Tatsache gewöhnen könnte, dass die Jagd auf die Kühe ein Ende gefunden hatte. Cunomar spie einen kleinen Strohhalm zwischen seinen Zähnen hervor, starrte nachdenklich zu Boden und sammelte sich innerlich, um nun wieder zum Anführer der Speerkämpfer zu werden.
»Wann ist die Brücke gefallen?«, erkundigte er sich schließlich.
»Letzte Nacht, unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit.« Der morgendliche Sprühregen hatte aufgehört, und schimmernde, fast schon nassglänzende Sonnenstrahlen umschlossen Ullas Silhouette. Schützend hob sie die Hand über die Augen. »Valerius hat das endgültige Zerbersten der Brücke als eine Art Zeremonie initiiert und hat die eine Hälfte des Bauwerks als Opfergabe an Nemain verbrannt. Die andere Hälfte wurde dann entzündet, als die Sonne hinter dem Horizont versank - als Geschenk an Lugh vom Glänzenden Speer, dem Sonnengott der Ahnen. Sämtliche Krieger und Flüchtlinge waren dabei und haben zugesehen. Sie behaupten, dass auf jenem Teil des Kriegsheeres, der unter der Anführerschaft des Bruders der Bodicea kämpft, der Segen der Ahnen ruht und dass diese Krieger bereits eine ganz eigene, ruhmreiche Armee gebildet haben.«
Kaum wahrnehmbar schienen Cunomars Augen sich an den Außenwinkeln ein wenig zu verengen. »Stammen diese Worte etwa von Valerius?«
»Selbstverständlich nicht. Aber die Krieger von Mona, die an seiner Seite kämpfen, behaupten das. Und da sie von der Insel der Götter stammen, trifft ihre Meinung natürlich auch bei den anderen nicht auf taube Ohren. Unter Valerius haben sich mittlerweile mehr Speerkämpfer versammelt als unter jedem anderen Anführer: Die Silurer sind aus dem Westen angereist, nur um sich Valerius anschließen zu können, und auch die Krieger der Durotriger und die Dumnonii, die noch immer treu hinter Gunovar stehen, kämpfen nun unter seinem Befehl. Sie alle hatten zwar ursprünglich für die Bodicea kämpfen wollen, aber da sie die nirgends mehr finden konnten, sind sie schließlich in das Heer ihres Bruders eingetreten.« Cunomars Blick schien immer stechender zu werden. »Aber andererseits haben sie sich doch auch nur deshalb Valerius’ Führung angeschlossen«, erklärte Ulla beschwichtigend, »weil er der erste der Heeresführer war, den sie ausfindig machen konnten. Und wenn sie heute Abend zu uns stoßen, kann es immer noch passieren, dass sie sich auch wieder von Valerius abwenden und fortan dir folgen.«
Nichts war mehr übrig von dem jungen Burschen, der erst vor wenigen Augenblicken noch die übermütige morgendliche Jagd im Kuhstall genossen hatte. »Valerius und sein Heer kommen zu uns in den Norden? Wollen uns treffen? Hier? Heute? «
Zwischenzeitlich waren selbst die Rinder verstummt. Die jugendlichen Krieger unter der Bärengöttin tauschten einige rasche, wachsame Blicke und begannen dann, das kotverklebte Stroh des Kuhstalls von ihrem Körper zu klauben. Sie rochen nach frischem Mist und hatten bräunliche Füße und Knöchel. Noch vor kurzem war das alles überhaupt nicht von Belang gewesen, nun jedoch, das heißt, wenn sie die Aufgabe, die ihnen gestellt worden war, zumindest noch mit einem Mindestmaß an Würde erfüllen wollten, kam selbst diesen Äußerlichkeiten plötzlich eine immense Bedeutung zu.
Denn im Gegensatz zu der Schlacht bei Lugdunum hatte der Kampf um Verulamium überhaupt nichts Glorreiches an sich gehabt. Es hatte keinerlei zeremonielle Zerstörung irgendeiner Brücke gegeben, und selbst das Brandschatzen der besiegten Stadt hatte - noch - nicht stattgefunden. Die Bodicea hatte ihrem Sohn ein Drittel ihres gesamten Heeres überlassen, mit dem Befehl, Roms zweitwichtigste Stadt in dessen britannischen Provinzen einzunehmen. Damit sollte Cunomar sich auf einem sozusagen überschaubaren Spielfeld sowohl als Taktiker als auch als Anführer der Speerkämpfer beweisen, ehe er schließlich ohne fremde Anführerschaft in größeren Schlachten agieren durfte. Gegenwärtig aber mussten Cunomar und seine Gefolgsleute erst einmal mit der nicht enden wollenden Scham leben, dass sie leider noch nichts dergleichen unter Beweis gestellt hatten.
Die ganze Eroberung von Verulamium war eher eine Art Antiklimax gewesen, die sich langsam dem Ende entgegenschleppte. Denn nicht einem der Krieger war im Vorfeld die Idee gekommen, dass die Einwohner dieser Stadt, die sie nun
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