Die Kriegerin der Kelten
geworden.
Denn bereits jetzt war dieser einstige Legionar zu einem alles andere als durchschnittlichen Mann gereift. Der Schlag gegen Lugdunum war geradezu ein Paradebeispiel von kluger Ressourcennutzung gewesen, sodass es auf Seiten der Angreifer schließlich nur eine minimale Anzahl von Todesopfern gegeben hatte. Zumal Valerius bei der Planung dieses Angriffs immer wieder auch Theophilus zu Rate gezogen hatte, dann nämlich, wenn Themenbereiche diskutiert werden mussten, die nach einer etwas gemesseneren Sichtweise verlangten, als Madb von Hibernia sie zu bieten hatte oder Huw oder gar der noch sehr jugendliche Knife, der sich aber immerhin und trotz seiner relativen Unerfahrenheit bereits als guter Späher erwies.
Und genau in dieser Funktion als maßvolle Gegenstimme zog Valerius Theophilus nun abermals zu Rate, während sie gemeinsam über das Gelände wanderten, auf dem einst die Pferdekoppeln gelegen hatten.
»Im Übrigen«, so fuhr Valerius nun in seinen Erläuterungen fort, »gibt es natürlich auch noch einige strategische Überlegungen, weshalb wir die Brücke niederreißen müssen. Denn vorausgesetzt, dass Cunomar es tatsächlich geschafft haben sollte, Verulamium auszulöschen, dann wäre das gesamte Land nördlich des Flusses nun unser Land - das heißt, bis an die Territorialgrenze der Briganter natürlich. Ohnehin war der Südwesten ja schon immer auf unserer Seite gewesen und damit ein erklärter Feind Roms. Alles, was jenseits dieser Grenze dort verläuft...«, damit zeigte Valerius auf den Fluss, »also alle Stämme südlich des Flusses, stehen wiederum auf Roms Seite. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Sollte Paulinus sich somit dazu entschließen, seine Armee nicht von Norden aus, sondern durch den Süden des Landes auf uns zu hetzen, wäre es besser, wenn es ihm zumindest nicht gelänge, den Fluss zu überqueren und in das Gebiet der Atrebater vorzudringen. Eine Legion auf dem Durchmarsch können wir schon irgendwie noch in die Knie zwingen; das haben wir ja bereits am Beispiel der Neunten unter Beweis gestellt. Sollten wir diesen Angriff jedoch in einer Phase des Krieges forcieren müssen, während der Paulinus und seine Männer sich gerade auf dem Territorium von Verbündeten Roms befinden, dürfte uns dieses Vorhaben wesentlich größere Mühe bereiten. - In jedem Fall brauchen wir nicht damit zu rechnen, dass Paulinus einen Rückzieher macht.«
Valerius und Theophilus hatten die in den Norden führende Handelsstraße erreicht, die von den Legionen eigens zu jenem Zweck angelegt worden war, um das Vorankommen der Männer und der Versorgungszüge in das nordwestliche Kriegsgebiet zu beschleunigen. Die Straße war ordentlich befestigt und auf einem Wall aus Kalksteingeröll angelegt worden, sodass zwar auch dieser Weg aufgeweicht war von den Wassermassen, die vom Himmel herabströmten, man hier aber immerhin nicht durch so tiefen Schlamm waten musste, dass er einem fast bis an die Oberschenkel reichte. Hier konnten Valerius und Theophilus Seite an Seite nebeneinander hermarschieren und damit trotz ihres erbärmlichen Äußeren wenigstens so tun, als wären sie zivilisierte Menschen.
»Der Gouverneur war mit dem Auftrag nach Britannien geschickt worden, das Land entweder zu unterwerfen oder aber bei dem Versuch umzukommen. Und selbst wenn er nicht Kaiser Nero im Nacken sitzen hätte, der ihm konsequent mit der Hinrichtung droht, so ist Paulinus ganz einfach nicht die Sorte von Mann, die sich aus einem aussichtslosen Kampf irgendwann einfach zurückzieht, geschweige denn, dass er die Flucht antreten würde. Dennoch könnte es sein, dass er das diskrete Vordringen dem tapferen Einmarsch vorzieht. Wenn er die Legionen von Süden aus über die Brücke schickt, könnte er bei Berikos von den Atrebatern erst einmal in Ruhe den Winter über verschnaufen. Oder vielleicht bezieht er ja auch im Gebiet von Cogidubnos von den Regni Quartier. Sind ja beides Männer, die sich mit Herz und Seele dem römischen Reich verschrieben haben.«
Mittlerweile hatten sie das Ende der Koppeln erreicht. Valerius stieg über einen herabgefallenen Dachbalken hinweg, der durch Zufall genau dort liegen geblieben war, wo die Grenzlinie des einstigen Hafengeländes verlief. Der Regen hatte den Gestank des Todes ein wenig fortgewaschen, nicht jedoch dessen grausigen Anblick. Zu beiden Seiten des Marschwalls wühlten noch immer nackte Krieger und Jugendliche sich durch die Überreste der verkohlten Hütten und
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