Die Kriegerin der Kelten
ein Freund der Bodicea.«
»Er war auch einst der Seelenfreund von Valerius, und fast alle auf Mona kennen seinen Namen.«
Cunomar lag an der Seite von Braint in einem Dickicht aus etwa bis auf Scheitelhöhe reichenden Nesseln. Einen halben Speerwurf von ihnen entfernt verlief die Straße. Selbst als sie den Angriff auf die Neunte Legion lanciert hatten, war Cunomar dem Feind nicht so nahe gewesen wie jetzt. Er konnte sehen, wie der Schweiß den Männern in kleinen Bächen über ihre Gesichter lief, wie er schwarzen Rinnsalen gleich über die Hälse der Pferde tropfte. Er sah die Sandschicht, die Fliegen und die dumpf blickenden Augen von Männern, die schon seit Tagen in forschem Marschtempo durchs Land eilten und noch zahlreiche weitere solcher Tage vor sich hatten. Er hörte stampfende Füße und die geradezu hirnverbrannt klingenden Marschlieder und bemühte sich angestrengt, nicht allzu genau hinzuhören, sondern sich stattdessen auf etwas anderes zu konzentrieren, sodass der plötzliche Trompetenstoß ihn entsetzt auffahren ließ. Er fluchte leise und presste sich wieder an den Erdboden.
Braint war nicht erschrocken zusammengezuckt, selbst dann nicht, als Corvus seine rotbraune Stute seitlich herumwirbeln ließ und deren Hufe dabei fast Braints Gesicht berührt hätten. Von sämtlichen der mit Kalkfarbe bemalten und mit grauem Fett eingeschmierten Bärinnenkrieger unter Cunomars Führung war sie die Einzige, die keine Kriegsbemalung angelegt hatte und auch fast keinen Schmuck trug. Stattdessen hatte sie nur eine einzelne, mit einem schmalen Band umwickelte Feder in ihr Haar geknotet. Die Feder stammte aus dem Bürzel eines Wanderfalken. Zudem trug sie an einer Kordel aus Pferdeleder zwei Eckzähne von einer Wildkatze um den Hals. Ihr Haar hatte sie mit Staub und Schlamm nach oben gestrichen, sodass es aussah wie ein umgedrehter Torfsoden. Was den Rest ihres Körpers betraf, so war ihre Haut nach einem Sommer voller Sonne und Wind von einer kräftigen Bräune überzogen und ganz matt von dem Staub, den die marschierenden Männer aufwirbelten. Und schon lange, ehe die erste Truppe der ersten Kohorte der ersten Zenturie der Vierzehnten Legion vorbeigestampft war, hatte Braint sich in nicht mehr als einen von vielen Schatten inmitten des Dickichts von Brennnesseln verwandelt.
Schweigend und reglos lag sie da, schien die Fliegen gar nicht wahrzunehmen, und nicht ein einziges Lächeln hatte Cunomar über ihr Gesicht huschen sehen - abgesehen von jenem Moment, als er verkündet hatte, die Legion schon ein wenig eher, also vor dem Dazustoßen der anderen Krieger, angreifen zu wollen.
Er erinnerte sich wieder an die Geschichten, die seine Mutter ihm von Braint erzählt hatte, wie diese während ihrer Kindheit auf Mona gewesen wäre und wie sie sich später dann während der Invasionsschlachten gezeigt habe. Zudem hatte Breaca ihm von Braints Kummer über den Tod ihres Cousins erzählt und die neu gewonnene Lebensenergie, als sie die Phase der Trauer schließlich überwunden hatte. Braint war zu einer solch furchtlosen Frau herangewachsen, dass sie sogar eine komplette Truppe der Gallischen Kavallerie in den Tod gelockt hatte, indem sie ihren Körper als Köder einsetzte.
Das innere Feuer, das Braint zu einer solchen Tat angetrieben haben mochte, war noch immer in ihr zu erkennen, doch seine Hitze hatte auch den Kummer und die Fähigkeit, sich zu freuen, verbrannt, sodass die Kriegerin sich schließlich zu einem Menschen entwickelt hatte, der so unbeugsam war wie Eisen. In jedem Fall aber war sie ganz zweifellos eine gute Kämpferin, vielleicht sogar eine hervorragende. Langsam kam Cunomar zu der Erkenntnis, dass Braint somit - von den Mitgliedern seiner eigenen Familie einmal abgesehen - womöglich die beste Kriegerin war, der er je begegnet war.
Ohne sich dabei zu regen, sagte sie nun von Cunomars Linker her: »Mac Calma hatte recht. Sie haben Bogenschützen dabei. Sieh doch.«
Vier komplette Reihen von Kavalleristen ritten an ihnen vorbei, und aufmerksam musterte Cunomar die Männer, sah jedoch nichts. Dann erhaschte er einen flüchtigen Blick auf das mit purpurroten Federn bewehrte Ende eines Pfeilschafts, erkannte schließlich den gesamten Pfeil und auch den Bogen sowie den dunkelhäutigen Mann mit der Hakennase, in dessen Händen Pfeil und Bogen ruhten. Nun, da Cunomar den ersten der Bogenschützen entdeckt hatte, war es leichter, auch die anderen auszumachen. »Zwölf«, sagte er. »Sie reiten also
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