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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Hanin hatte ihn bisher ignoriert, weil sie nicht glaubte, dass er ihnen gefährlich werden konnte. Das änderte sich nun jedoch, denn der Schatten glitt rasch auf die Stelle zu, an der Yassaf lag.
    Hanin zog ihren Dolch. Am Turm zog Messan Inran durch das Fenster, dann blieben beide im Rahmen stehen und sahen zu. Der Schatten schwebte tiefer. Als er den Boden berührte, löste er sich auf - und wurde zu einem Menschen. Ein Junge, nicht älter als vierzehn, schlich durch das Gras. Er trug einige viel zu große, verrostete Rüstungsteile, aber keinen Helm. Sein Gesicht war in der Mitte gespalten wie von einem Axtschlag.
    Yassaf rührte sich nicht. Entweder versuchte er zu verschwinden, oder er war schwerer verletzt, als Hanin nach dem Sturz erwartet hatte. Sie holte mit ihrem Dolch aus, als der Junge näher kam und neben Yassaf stehen blieb. Zögernd stieß er den Assassinen mit dem Fuß an.
    Hanin zuckte überrascht zusammen, als Yassaf plötzlich aufsprang. So schnell, dass der Junge nicht einmal Zeit hatte zu schreien, stieß er ihm seinen Dolch in die Kehle und presste ihm die Hand auf Mund und Nase. Lautlos ging der Junge zu Boden. Hanin steckte ihre Waffe ein, lief geduckt zu Yassaf und ging neben ihm in die Hocke.
    Der Assassine sah sie verwirrt an. »Wo kommt denn der Junge her?«
    «Einer der Schatten hat sich in ihn verwandelt.« Es hätte sie nicht gewundert, wenn die Leiche sich aufgelöst hätte, aber sie blieb zwischen ihnen liegen. »Wir müssen ihn wegbringen.«
    Sie nahmen den toten Jungen zwischen sich und versteckten ihn hinter einigen Bäumen. Als Hanin sich wieder dem Turm zuwenden wollte, hielt Yassaf sie am Arm fest. »Es tut mir leid. Meine Ungeduld hat uns alle in Gefahr gebracht.«
    Hanin nickte. Es gefiel ihr, dass er die Verantwortung für seinen Fehler übernahm, aber das würde sie ihm erst später sagen. »Komm!«
    Sie schickte Yassaf allein nach oben. Dieses Mal war er vorsichtiger, aber immer noch schnell genug, dass er das Fenster lange vor dem Schatten erreichte. Ich hoffe, es stecken nicht hinter all diesen Schatten Kinder, dachte Hanin, als sie ebenfalls nach oben kletterte. Sie hatte sich das beleuchtete Fenster ein Stockwerk über dem der anderen ausgesucht. Ein Teil von ihr hoffte, sicherlich vergeblich, dort auf Alberich zu treffen, aber hauptsächlich wollte sie sicherstellen, dass sich keine bösen Überraschungen hinter dem Fenster verbargen. Ihr weiteres Handeln würde sie davon abhängig machen, was sie dort fand.
    Als sie an dem dunklen Fenster vorbeikletterte, sah sie Messans Umrisse dahinter. »Sei vorsichtig«, flüsterte er. Sie nickte und kletterte weiter. Der Schatten erreichte ihre Höhe kurz vor dem nächsten Stockwerk. Hanin verschmolz mit dem Mauerwerk, stellte sich vor, wie sie eins mit den Steinen wurde, und hörte auf zu denken. Sie fühlte nichts, keine Neugier, keine Angst, keine Sorge, nur die Gelassenheit des Steins. Der Schatten glitt an ihr vorbei. Er flüsterte und murmelte ununterbrochen, aber sie konnte kein Wort verstehen. Seine Kälte strich über ihre Haut, dann setzte er seinen Weg fort.
    Hanin wartete noch einen Moment, bevor sie weiterkletterte. Ihr Ich kehrte zurück und mit ihm ein Gefühl, das sie nicht erwartet hatte: Mitleid. Sie bedauerte die Schatten. Die Schuld daran gab sie dem Jungen, dem Blick in seine gebrochenen Augen und sein zerstörtes Gesicht.
    Sie verdrängte den Gedanken und hob den Kopf. Das Fenster befand sich unmittelbar über ihr. Vorsichtig tastete Hanin mit dem Fuß nach einem Vorsprung im Fels, dann schob sie sich gerade so weit nach oben, dass sie in den Raum dahinter sehen konnte.
    Er war leer. Ein breites Bett stand dort, eine Kommode mit einem ... Spiegel? und eine Truhe, auf der ein paar Kleidungsstücke lagen. Es war das Schlafzimmer einer Frau.
    Hanin kletterte lautlos in den Raum und mied dabei jegliche Nähe zu dem Spiegel.

19
    Freundschaft
    und Verrat
     
    E insamkeit war zu einem Luxus geworden, den sich Cedric kaum mehr gönnen konnte. Als es seine Hütte noch gab, hatte er sich dorthin zurückziehen können, was nicht hieß, dass man ihn in Ruhe ließ, doch nun verbrachte er seine Nächte in einem Behelfsschlafraum der Iolair mit einem halben Dutzend schnarchender Elfen und hoffte darauf, dass man ihm bald eine neue Hütte bauen würde.
    In der Zwischenzeit musste er, wenn er dem Irrsinn und den Floskeln von Rimmzahns Sekte entfliehen wollte, zum Fluss gehen. Er hatte eine Stelle gefunden, zu der selbst

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