Die Kristallsaengerin
Der Meditech war in den Raum gekommen und reichte ihr ein Glas mit einer sprudelnden grünen Flüssigkeit. »Richten Sie sich auf. Und dann setzen Sie sich bitte hier hinein«, fügte er hinzu, als ein bequemer Polstersessel in die Mitte des Raumes gerollt kam, während das Diagnosegerät nach links schwenkte. »Wenn Sie sich erholt haben, drücken Sie den Knopf auf der rechten Sessellehne, dann beginnen die psychologischen Tests. Wir benutzen das verbale Anredesystem. Die Antworten werden natürlich aufgezeichnet, aber ich bin sicher, daß Sie mit dem Vorgang vertraut sind.«
Das Getränk vertrieb das letzte Unbehagen nach dem Schmerz-test aus ihrem Körper und machte ihre Sinne unglaublich wach.
Die besten Vorbedingungen für den psychologischen Test.
Killashandra betrachtete diese Art von Test immer mit etwas gemischten Gefühlen — es konnte so viel von der geistigen Verfassung abhängen, in der man sich zu genau jener Stunde, an jenem Tag und in jenem Jahr befand. Wie üblich verspürte sie auch diesmal wieder den vagen Wunsch, einfach die falschen Antworten zu geben, aber dagegen stand das Bewußtsein des Existenz-kampfs. Zu viel hing von diesen Tests ab. In dieser Situation waren die Spielchen, die sie vielleicht unter anderen Umständen riskiert hätte, fehl am Platz. Sie wurde mit Fragen konfrontiert, deren Sinn sie nicht verstand und die ihr bisher noch bei keiner psychologischen Beurteilung gestellt worden waren. Aber sie hatte sich ja auch noch nie bei der Heptitengilde beworben, und deren Auswahlkriterien waren mit Sicherheit andere. Es war auch das erstemal, daß sie einen verbalen Psychotest mitmachte, bei dem die Fragen über Computer gestellt wurde, denn normalerweise saß man einem menschlichen Prüfer gegenüber.
Am Ende der Sitzung steigerte sich das Tempo der Befragung so, daß sie vor Anstrengung, mit ihren Antworten auf die Fragen, die vor ihr abrollten, mithalten zu können, zu schwitzen begann.
Sie konnte noch immer fühlen, wie ihr Herz raste, als der Gildemann wieder hereinkam. Diesmal brachte er ein Tablett mit dampfenden Essensbehältern mit.
»Der Eignungstest beginnt, wenn Sie gegessen und sich ausgeruht haben. Sie können etwas zu Ihrer Unterhaltung über das Fax abrufen oder schlafen.« Auf seine Worte tauchte aus einem Speicher eine Konturcouch auf. »Wenn Sie soweit sind, geben Sie dem Computer Bescheid, dann fangen wir mit dem letzten Teil der Tests an.«
Killashandra hatte einen Bärenhunger, und die nahrhafte Mahlzeit schmeckte ihr ausgezeichnet. Sie nippte an dem heißen Getränk und ließ sich beruhigend ophterianische »Harmonien«
vorspielen, um sich nach dem anstrengenden letzten Teil des Psychotests geistig zu entspannen.
Bei früheren Beurteilungssitzungen hatte sie oft am Verhalten ihrer menschlichen Prüfer ablesen können, wie gut sie gewesen war — und sie war an sehr gute Ergebnisse gewöhnt. Der Gildetech dagegen war so unpersönlich gewesen, daß sie nicht sagen konnte, wie sie bis jetzt gewesen war.
Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatte, entschied sie sich, mit den Tests weiterzumachen und gab zu verstehen, daß sie bereit war. Als erstes wurde sie auf ihr Gehör getestet, die härteste Prüfung auf diesem Gebiet, die sie je mitgemacht hatte und die Schätzungen von Schwingungsabweichungen und entnervender unterbewußter Geräusche unter 50 Hertz und über 18 Kilohertz einschlossen. Nachdem diese Ergebnisse aufgezeichnet worden waren, gingen die Tests zu irreführend komplexen Hand-Auge Koordinationen über, nach denen sie wieder in Schweiß gebadet war. Es folgten einen Reihe von Tiefenwahrnehmungstests und Raumbeziehungen. Das letztere Prüfungsgebiet war immer eine ihrer Stärken gewesen, aber als die Sitzung endlich vorbei war, fühlte sie sich völlig erschöpft und zitterte.
Vielleicht war der Wunsch nur der Vater des Gedanken, aber als der Meditech zurückkam, glaubte sie so etwas wie Achtung in seinem Blick zu erkennen.
»Killashandra Ree, da Sie die Prüfungen des ersten Tages den Anforderungen entsprechend abgeschlossen haben, sind Sie ab jetzt Gast der Gilde. Wir haben uns erlaubt, Ihre persönlichen Dinge in ein bequemeres Quartier im Gildeblock zu bringen.
Wenn Sie mir bitte folgen würden ...«
Unter normalen Umständen hätte sie eine solche, ohne ihre Einwilligung vorgenommene Maßnahme als Eingriff in ihr Privatleben betrachtet, aber sie war zu erschöpft, um einen Protest zustande zu bringen. Sie wurde tiefer in den Gildeblock
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