Die Kristallsaengerin
der Musikschule, wenn sie nach beharrlichem Üben eine Rolle oder ein Instru-mentalsolo bekommen hatte, die Mehrheit ihrer Kommilitonen aber lieber jemand anders an ihrer Stelle gesehen hätte. Dann war sie auch verantwortlich gewesen. Jetzt dagegen war man, obwohl sie bewußt nichts getan hatte, die anderen Rekruten zu provozieren, böse auf sie, nur weil sie einmal Glück gehabt hatte, genau wie man auf der Musikschule böse auf sie gewesen war, nur weil sie hart gearbeitet hatte. Was für einen Sinn hatte das alles überhaupt?
»Passen Sie auf den verdammten Schneider auf!« Eine heftige Stimme unterbrach sie in ihrem gekränkten Selbstmitleid, und jemand schob sie mit unnötiger Gewalt nach rechts. »Ich habe gesagt, Sie sollen aufpassen!«
Der Mann wich hastig zurück, da sie angesichts des aggres-siven Tons instinktiv den Schneider erhoben hatte. Ihre Verwirrung steigerte sich noch durch das Wissen, daß sie achtlos gewesen war und sich jetzt wie eine Närrin benahm. Die Tatsache, daß er sie darauf hingewiesen hatte, trug nicht dazu bei, daß sich ihre Verärgerung legte.
»Er ist nicht eingeschaltet.«
»Das Ding ist verdammt gefährlich, ob eingeschaltet oder nicht. Hat man Ihnen denn nicht gezeigt, wie man damit umgeht?« Der große Mann, der sie so anfunkelte, war Borellas Begleiter aus dem Shuttle.
»Dann beschweren Sie sich bei Borella: Sie war nämlich unsere Lehrerin.«
»Borella?« Der Sänger starrte sie an, die Stirn verwirrt gerunzelt. »Was hat sie mit Ihnen zu tun?«
»Ich gehöre zu ihrem letzten >Fang<, so hat sie sich, glaube ich, ausgedrückt.«
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich, als sein Blick über sie glitt und an ihrem Armband haften blieb.
»Ach, Sie haben gerade erst Ihren Schneider bekommen, meine Liebe?« Er bedachte sie mit einem herablassenden Lächeln.
»Dann vergesse ich eine Beschuldigung wegen Unhöflichkeit.«
Mit einer leichten Verbeugung und einem ironischen Grinsen ging er weiter in Richtung Werkstatt.
Während sie dem Mann nachstarrte, wurde sie sich wieder jener seltsamen Anziehungskraft der Kristallsänger bewußt. Sie war wütend auf ihn gewesen, aber ihre Wut hatte zum Teil auf seinem eingeschüchterten Verhalten und ihrem Wunsch, ihn zu beeindrucken, beruht. War Carrik auch einmal so gewesen? Und sie nur zu unerfahren, um es zu wissen?
Sie erreichte den Lift und stieg ein. Die Begegnung mit dem Sänger ließ sie wieder selbstbewußter in die Zukunft blicken.
Egal, was war, sie war eine Kristallsängerin: und zwar mehr als die anderen aus ihrer Klasse, dank einer physischen Anomalie und eines Zeitfaktors, für die sie nichts konnte.
Als sie den Ausbildungsraum 47 betrat, wartete dort eine weitere Überraschung auf sie. Sie sah sich Trag gegenüber, der an einem schweren Kunststofftisch lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt, und offensichtlich auf sie wartete.
»Ich bin doch nicht zu spät, oder?« fragte sie. Ein zweites Mal ergriff ein Gefühl der Verwirrung von ihr Besitz, denn ihre Worte hallten mißtönend durch den Raum. Dann entdeckte sie die unverwechselbaren Schaumstoffkartons auf dem Tisch hinter Trag. »Wie komisch.«
»Mißtönende Kristalle«, erklärte er, und seine tiefere Stimme echote genau wie ihre zuvor. Dann streckte er die Hand nach ihrem Schneider aus.
Killashandra gab ihn nur zögernd her, da sie ihn erst so kurz besaß. Er inspizierte jedes Teil des Geräts und nahm sogar die Hülle um das Infraschallmesser ab, das er mit besonderer Aufmerksamkeit untersuchte. Dann stellte er sich auf ihre linke Seite, hielt ihr den Schneider hin und beobachtete, wie sie ihn an den Griffen nahm. Er überprüfte ihre Handstellung und nickte.
»Sind Sie mit der Bedienung vertraut?« fragte er, obwohl er wissen mußte, daß der Fischer ihr alles genauestens erklärt hatte.
»Und auch mit dem Vorgang des Einstimmens?« Wieder nickte sie, ungeduldig angesichts seiner Fragerei.
Mit einer Gleichgültigkeit gegenüber seinem Inhalt, die Killashandra den Atem nahm, ließ er jetzt einen Kristallkarton auf den Kunststofftisch fallen. Trag grinste.
»Das hier sind mißtönende Kristalle. Sie kommen von einem der näheren Systeme, die sich nicht die Mühe machen, Tuner einzustellen. Auf diese Weise können Sie lernen, mit der Waffe, die Sie da tragen, umzugehen.«
Einen entsetzten Moment lang fragte sich Killashandra, ob Trag Zeuge ihrer Begegnung mit dem anderen Sänger geworden war. Sie warf einen raschen Blick auf das Gerät, das, wie
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